Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
untersuchen lassen. Er müsste ja mindestens zehn Jahre alt sein. Leider ist er höchstens einige Monate alt. Das ist doch merkwürdig, oder?»
«Nur einige Monate? Tatsächlich?»
«Du wirkst nicht sonderlich überrascht. Könnte es sein, dass du die Warnung selber verfasst hast, um sie dann in ein Sakko von Niki zu schmuggeln, wo sie von Greta gefunden werden sollte?»
«Warum sollte ich das tun?», fragte Theresa.
«Um einen skeptischen Privatermittler wie mich neugierig zu machen und zu motivieren, den Auftrag anzunehmen», antwortete Emilio. «Hat ja auch funktioniert. Wie ich schon sagte, sehr raffiniert.»
Theresas Gesicht wurde erst blass, dann rot. «Bist du mir böse?», fragte sie schließlich, mit kleinlauter Stimme.
Emilio lachte. «Nein, meine Liebe, bin ich nicht. Aber ich hätte allen Grund dazu.»
Greta servierte Tee. Das Thema Niki war damit erledigt. Theresa fand sich mit der Situation ab und war ganz offensichtlich froh, dass Emilio ihr so rasch verziehen hatte. Nach einigen Minuten zwanglosen Plauderns hatte sich die Situation so weit entkrampft, dass sie sich traute, Phina anzusprechen. Die habe auf sie unheimlich angespannt gewirkt, sei nervös und unkonzentriert gewesen. Ob er wisse, warum?
Er dachte an Kas-Rudls Beobachtungen, an ihre blonden Haare, an den gelben Rucksack und ihren Zorn auf Niki. Er erinnerte sich an seine Befragung, die zum Rausschmiss geführt hatte. Er dachte an den Vater, der ihr das Weingut wegnehmen wollte, an den Traktor und die unterspülte Trockensteinmauer. Doch, er konnte sich sehr gut vorstellen, warum Phina nervös war und unkonzentriert. «Nein», sagte er stattdessen, «ich habe keine Ahnung.»
«Du magst sie», sagte Theresa, «das hat sie mir gesagt.»
«Das hat sie gesagt? Ja, irgendwie mag ich sie, stimmt schon.»
«Aber sie hat auch gesagt, dass du dich anders verhältst. Sie will mir nicht sagen, was passiert ist. Hast du ihr weh getan?»
«Ihr weh getan?»
«Phina ist ein wunderbarer Mensch. Sie ist nicht so stark, wie sie sich gibt. Ganz im Gegenteil, sie ist sehr empfindsam und sensibel.»
«Das glaube ich gerne, aber sie kann auch ganz schön hart sein. Bestimmt mehr, als du es dir vorstellen kannst.»
Theresa sah ihn erstaunt an. «Das verstehe ich nicht.»
«Musst du auch nicht. Phina und ich haben unser kleines Geheimnis.»
«Könnt ihr euch nicht wieder vertragen?»
«Willst du uns verkuppeln?», fragte Emilio. «War das auch so ein Trick von dir? Du hast mich nicht zufällig bei ihr einquartiert, stimmt’s?»
Theresa zeigte ein verschmitztes Grinsen. Emilio drohte ihr mit dem Zeigefinger.
«Ich werde mit ihr sprechen», versprach er, weil er das sowieso vorhatte. «Aber aus uns wird nichts werden», fuhr er fort, «da muss ich dich enttäuschen. Es steht etwas zwischen uns, was sich nicht aus der Welt schaffen lässt. Bitte frag nicht. Ich möchte nichts dazu sagen. Phina wird dir auch keine Antwort geben. Liebe Theresa, du musst nicht alles wissen.»
«Schade», sagte sie. «Ihr beiden Dickschädel hättet gut zueinandergepasst.»
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63
Marco kniff die Augen zusammen, machte eine Faust und fletschte die Zähne. Jetzt hatte er das Arschloch erwischt. Endlich. Er würde ihn nicht mehr aus den Augen lassen, sich an ihn hängen und auf seine Chance warten. Vor Steixners Villa in Terlan hatte es geklappt. Sofort hatte er den geparkten Land Rover entdeckt. Dann hatte es nicht lange gedauert, bis der figlio di puttana aus dem Haus kam und in seine verbeulte Karre stieg. Er hatte ihn verfolgt, bis hierher nach Obermais, mit dem Alfa seines Schwagers, nicht mit der auffälligen Vespa. Er hatte großen Abstand gehalten, noch einmal würde ihn die Schweinebacke nicht entdecken. Jetzt wartete er in einer kleinen Straße und beobachtete das Haus. Er konnte es nicht fassen, dass der Saftsack genau hierher gefahren war. Was hatte er mit der alten Steirowitz zu tun? Puttmenger und Steixner, na klar, das wusste er. Aber jetzt die Mutter von Niki. Was hatte er mit ihr am Hut? Dieser Baron war eine unberechenbare Kanalratte. Ein Grund mehr, ihn abzuservieren.
Marco langte unter den Sitz. Der Totschläger lag bereit. Damit konnte man einen Ochsen von den Beinen hauen. Er musste nur den richtigen Augenblick abpassen und sich bis dahin in Geduld üben. Was der Typ wohl mit der Steirowitz besprach? Die Frage beschäftigte ihn. Sie würden kaum über Nikis Tod sprechen, der lag über zehn Jahre zurück. Er hatte keine
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