Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
Landy machte heute besonders laute Klappergeräusche. Außerdem flog im Heck zwischen den beiden längs ausgerichteten Rückbänken das Kampfmesser herum, das er Marco im Weinberg abgenommen hatte. Die Wege mit dem Schaltknüppel kamen ihm noch länger vor als gewohnt, gefühlte zwei Meter. Und heiß war es heute. Er öffnete die Lüftungsklappen über der Kühlerhaube und schob die Seitenfenster nach vorne. Damit waren die Möglichkeiten der Klimaregulierung ausgeschöpft.
In den «Fischbänken» von Cobo fand er einen schattigen Platz unter einem Sonnenschirm. Dabei entdeckte er ein neues Schild, über das er sich amüsierte: «Gott existiert, aber das bist nicht du. Entspann dich!» Er bestellte Bruschetta mit Tomaten, dazu einen leichten moussierenden Wein. So ließ es sich aushalten, das waren die wahren Freuden im Leben. Nur musste man die deutschen Touristen am Nebentisch ausblenden, die lautstark dummes Zeug faselten. Als sie mit ihm ins Gespräch kommen wollten, spielte er den Italiener, der kein Wort verstand. Warum wollten Menschen immer irgendjemanden kennenlernen? Das würde er nie verstehen, wozu sollte das gut sein? Emilio war auf das Gegenteil bedacht. Er hatte es am liebsten, wenn man ihn in Ruhe ließ.
Seine neuen Bekanntschaften in Südtirol hatte er berufsbedingt geschlossen. Falko Puttmenger, Ernst Steixner, Luis Gamper … Er verspürte kein Bedürfnis, die Kontakte länger als nötig aufrechtzuerhalten. Gerne würde er mit Kas-Rudl auf dessen Alm noch einmal Speck essen, dazu einen Roten trinken – und kein Wort reden. Bei Valerie Trafoier war das anders, solche Kontakte hatten keine lange Freundschaft zum Ziel. Vielleicht hätte er doch ihren erotischen Lockungen nachgeben sollen? Mit dem Bergführer Steff würde er sich auch nicht mehr verabreden. Bei Marco Giardino hoffte er sogar ganz dringend, ihm nie mehr zu begegnen.
Natürlich, da gab es eine Ausnahme. Phina musste er unbedingt noch mal sehen, er wollte mit ihr reden – und sie zum Abschied umarmen. Dann wäre auch diese vielversprechende «Bekanntschaft» Historie. Er hatte gelernt, mit solchen Erfahrungen zu leben.
Emilio fuhr weiter zum Zentralkrankenhaus. Er betrat Steixners Krankenzimmer. Der Patient lag nicht mehr im Bett, sondern saß relativ munter auf einem Stuhl. Ohne Kopfverband, nur noch mit einem großen Pflaster auf der Stirn.
«Ich werde morgen entlassen», sagte er.
«Das freut mich für Sie. Ich werde Ihr Haus rechtzeitig räumen.»
«Das muss nicht sein. Sie können gerne noch einige Tage bleiben.»
Emilio winkte ab. «Nein, vielen Dank. Ich bin hier, weil Sie mit mir vor meiner Abreise noch mal sprechen wollten. Sie sagten, in Ihnen sei ein Entschluss gereift?»
Steixner nickte. «Richtig. Und ich möchte wissen, was Sie davon halten.»
«Warum gerade ich?»
«Weil Sie merkwürdigerweise der Einzige sind, mit dem ich offen reden kann. Denn nur Sie kennen mein Geheimnis. Außerdem sind Sie nicht ganz unschuldig an meiner Entscheidung.»
«Sie machen es spannend.»
«Gott, gib mir die Gelassenheit, zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Gib mir den Mut, zu ändern, was zu ändern ist. Und gib mir die Weisheit, zwischen beidem zu unterscheiden.»
«Das Gebet von Niebuhr, Sie haben es sich gemerkt, das freut mich. Ich persönlich lasse den Gott weg, aber dann ergibt es immer noch einen Sinn.»
«Stimmt, das ist eine Glaubensfrage», sagte Steixner. «Ich habe darüber nachgedacht, warum ich die Gelassenheit nicht finden kann, den Tod des kleinen Mädchens zu akzeptieren. Vielleicht, weil mir der Mut gefehlt hat, etwas zu ändern. Die beiden Optionen schließen sich nicht aus, sie hängen zusammen, das eine bedingt das andere.»
Emilio zog die Augenbrauen nach oben. Der Mann hatte recht. Er war neugierig, zu welcher Schlussfolgerung Steixner gekommen war.
«Was halten Sie davon, wenn ich zur Polizei gehe und mich selbst anzeige? Ich will dazu stehen, was passiert ist, und bin bereit, die Konsequenzen zu tragen.»
«Das wollen Sie tun?»
«Ja, vielleicht finde ich dann meinen Frieden. Jedenfalls, was diesen schwarzen Fleck in meinem Leben angeht.»
«Dann hätte der Erpressungsversuch sogar etwas Gutes bewirkt.»
Steixner lächelte. «Die Wege des Herrn sind unergründlich.»
«Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege. Römer 11, 33», sagte Emilio.
«Sie kennen die Bibelstelle? Ich dachte, Sie glauben nicht an Gott.»
Emilio zuckte mit den Schultern. «Haben Sie
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