Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
schnell auf den Punkt kam. Die Phina von heute war wie ausgewechselt. Sie fing einen Gedanken an, hörte mittendrin auf, verhedderte sich, wechselte unversehens das Thema, um schließlich nicht mehr weiterzuwissen. Selbst bei dem so unverfänglichen und für Phina vertrauten Kapitel Wein kam sie ins Schleudern. Dass sich der Lagrein im Fass gut entwickelte, brachte sie noch klar hervor. Aber als Theresa nach der Situation im Weinberg fragte, wurde Phinas Blick plötzlich fahrig, sie begann noch ganz vernünftig mit dem aktuellen Reifegrad der Trauben und der Vendemmia verde , machte dann einen Gedankensprung zur Bewässerung und den Zustand der Trockensteinmauern, erwähnte plötzlich den Traktorunfall ihres Vaters, unterbrach sich, schaute auf die Seerosen, sagte völlig zusammenhanglos, dass ihre Espressomaschine kaputt sei, kam dann auf den Sauvignon zu sprechen, erwähnte die Planeten Merkur und Saturn und landete schließlich bei Wildschweinen, die den Weinberg eines befreundeten Winzers verwüstet hatten.
Theresa sah sie ob ihrer wirren Berichterstattung besorgt an. Was denn mit ihr los sei, wollte sie wissen, sie habe ihre Freundin noch nie so unkonzentriert erlebt.
Phina entschuldigte sich und erwähnte ihre Schlafstörungen. Außerdem würde sie gerade wie eine Verrückte im Weinberg schuften.
Theresa dachte, dass es gut sei, auf ein anderes Thema zu kommen. Sie erzählte, dass sich Emilio viel Mühe gegeben habe, die näheren Umstände von Nikis Tod nach so vielen Jahren aufzuklären.
Phinas Reaktion bestand darin, mit einer unkontrollierten Bewegung Theresas Handtasche umzustoßen.
Aber es sei dabei nichts herausgekommen, fuhr Theresa fort, Emilio habe keine Anhaltspunkte gefunden, die gegen einen Unfall sprächen.
Phina bückte sich, hob die Handtasche auf und hängte sie über die Lehne von Theresas Stuhl. «Das ist aber schön», murmelte sie.
Die alte Dame widersprach ihr. Sie hätte entschieden andere Erwartungen gehabt und könne es immer noch nicht glauben, dass Niki einfach ausgerutscht und abgestürzt sei. Aber jetzt müsse sie wohl lernen, diese Version zu akzeptieren. Mehr habe sie nicht tun können, als Emilio zu beauftragen.
«Es war sicher ein Unfall», sagte Phina leise, «du weißt schon, die Trockensteinmauer.»
Die alte Dame gab Phina einen Stoß. «Wo bist du mit deinen Gedanken? Ich spreche von Niki.»
Phina hob entschuldigend die Hände. «Doch, doch, das weiß ich ja. Das war ganz bestimmt ein Unfall. Der arme Niki.»
Theresa sah Phina ratlos an. Mit ihrer langjährigen Freundin war heute nicht viel anzufangen. Wenn sie schon die ganze letzte Zeit so gewesen war, durfte man sich nicht wundern, dass Emilio nichts von ihr wissen wollte. «Wie kommst du mit deinem Hausgast klar?», fragte die alte Dame.
«Mein Hausgast? Emilio? Hat er dir nicht erzählt …?»
«Was soll er mir erzählt haben?»
«Ach nichts, ich meine nur.»
«Hattet ihr Probleme miteinander oder Streit?»
«Nein, alles in Ordnung», antwortete Phina, «Emilio ist auf einem Weingut groß geworden.»
«Ja, das ist er. Ihr duzt euch? Das freut mich. Wie findest du ihn?»
«Er hat gesagt, dass er mich mag.»
Theresa strahlte. «Das ist aber schön. Emilio mag nämlich niemanden. Na ja, vielleicht mich, ein kleines bisschen.»
«Er behauptet, er mag mich, aber er verhält sich nicht so.»
«Warum, was hat er angestellt?»
«Ich will nicht darüber reden.»
«Aber er muss doch irgendwas getan haben?»
«Ich hab doch gesagt, ich will nicht darüber reden.»
Die alte Dame beruhigte sie. «Alles wird gut, du wirst sehen.»
Phina schüttelte den Kopf. «Alles wird gut? Das glaube ich nicht.»
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62
Die letzte halbe Stunde hatte Emilio an Steixners Flügel verbracht und vor sich hin gespielt, ohne Noten und ohne sich auf die Musik zu konzentrieren. Ein bisschen Chopin, Mozart, ein Wiener Walzer von Johann Strauss. Seinen Ausflug nach Verona hatte er abgehakt, das war eine Schnapsidee gewesen. Mit wem die Drag Queen mal schmutzigen Sex gehabt hatte, wollte er nicht wirklich wissen. Vielleicht dieser Gemeinderat Rottenthaler? Er gehörte wie Puttmenger und Steixner zu den Amici del Vino und war offenbar recht bekannt, auch für seinen lockeren Lebenswandel. Egal, sollte der Mann tun, was er wollte. Wer auch immer sich in dieses Milieu begab, würde irgendwann dafür bezahlen. Noch einige Takte Boogie-Woogie, dann hörte er auf.
Er setzte sich ins Auto und fuhr nach Bozen. Sein
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