Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
sozusagen der guten Form halber, er verstehe schon.
Emilio, der dies alles ohne großes Engagement vorbrachte und dabei unaufmerksam wirkte, geradezu gelangweilt, war in Wahrheit hoch konzentriert und achtete genau auf die Reaktionen seines Gegenübers, dafür hatte er gute Antennen. Gott sei Dank hatte der Botox-Professor keine gelähmte Mimik, und so glaubte Emilio zu erkennen, dass Falko Puttmenger zu Beginn sehr angespannt war. Bei Erwähnung des Todes von Niki hatte sich diese Anspannung sogar noch gesteigert, als er dann aber von der Sinnlosigkeit dieser Ermittlungen gesprochen und den Eindruck vermittelt hatte, dass ihn all dies nicht besonders interessierte, hatten sich die Gesichtszüge des Professors entkrampft, auch die Körperhaltung hatte sich rasch entspannt. Emilio fand diese Gefühlsregungen höchst aufschlussreich, auch wenn er sie nicht zu deuten wusste.
Falko Puttmenger bestätigte, dass er mit Niki befreundet gewesen war, vor allem habe sie die Liebe zum Wein verbunden. Sie hätten sich regelmäßig mit anderen Freunden zu Weinverkostungen getroffen. Ihre Gruppe habe sich den Namen Amici del Vino gegeben und auch sonst viel zusammen unternommen. Niki sei ein lustiger Typ gewesen, immer gut drauf und voller Ideen. Sein Bergunfall habe ihn damals sehr erschüttert, nicht nur ihn, der gesamte Freundes- und Bekanntenkreis sei bestürzt und fassungslos gewesen. Keiner habe sich erklären können, wie das passieren konnte. Auf Emilios Frage berichtete Puttmenger, dass er verheiratet sei und zwei Kinder habe. Seine Frau lebe aber die meiste Zeit in München, wo die Kinder zur Schule gingen. Er pendele deshalb häufig zwischen Südtirol und München, in den Ferien und an verlängerten Wochenenden käme seine Familie dann zu ihm. Das sei zwar nicht ideal, ginge aber ganz gut. Falko Puttmenger sah auf die Uhr. Er habe noch etwas Zeit, ob der Baron ein Glas Wein mit ihm trinken wolle, fragte er. Er habe noch einige Flaschen, die ihm Niki mal geschenkt hatte, die sollten auch nach zehn Jahren noch schmecken. Er würde eine aufmachen, sozusagen «in memoriam».
Emilio stimmte dankend zu und folgte der Einladung von Falko Puttmenger, ihn in seinen Weinkeller zu begleiten. Dort stellte er erstens fest, dass der Professor es bei normaler Lebenserwartung nicht mehr schaffen würde, seine gesammelten Weine auszutrinken, auch nicht unter aufopferungsvoller Mitwirkung eines großen Bekanntenkreises. Dies hielt Emilio für einen groben Planungsfehler. Zweitens konstatierte er, dass Puttmenger nicht nur alle gängigen Südtiroler Weine gehortet hatte, darunter auch jene von jungen Winzern, die aktuell für Aufsehen sorgten, sondern darüber hinaus Spitzenweine aus den renommiertesten Weinregionen Italiens und Frankreichs. Was ihn drittens zu der Erkenntnis brachte, dass er vom Gegenwert des Puttmenger’schen Weinkellers ein sorgenfreies Leben führen könnte. Trotzdem wollte er mit dem Mann nicht tauschen, allein der Gedanke erschreckte ihn.
Schließlich saßen sie wieder unter der Pergola. Puttmenger entkorkte die mitgenommene Flasche Blauburgunder, auf deren Etikett groß zu lesen war: «For friends only!» Dabei, erklärte er, handele es sich um eine Spezialabfüllung von Niki. Er roch am Korken, goss etwas Wein in ein Glas, schwenkte es, steckte seine Nase hinein, um dann zufrieden zu nicken. Er goss den Wein in das andere Glas, schwenkte auch dieses, erwähnte dabei die häufig vernachlässigte Notwendigkeit, Weingläser zu avinieren, schüttete den eingegossenen Wein weg, dann füllte er die Gläser und reichte eines Emilio. Mit freudiger Überraschung nahm Puttmenger zur Kenntnis, dass sein Gast den Wein kurz ins Licht hielt, um die Farbe zu begutachten, ihn dann mit einer lockeren Bewegung aus dem Handgelenk im Glas rotieren ließ, daran roch, das Glas in einer fließenden Bewegung kippte, den Tränen einen kurzen Blick schenkte, schließlich erneut schwenkte, dann einen Schluck nahm, etwas Luft durch die Lippen zog, kurz schmatzte – und schließlich schluckte. Dies alles geschah mit routinierter Selbstverständlichkeit, sodass Puttmenger sofort einen Weinbruder im Geiste zu erkennen glaubte. Ein Eindruck, der sich verstärkte, als Emilio im Plauderton sortentypische Aromen von Sauerkirsche und Brombeeren identifizierte, die rubinrote Farbe rühmte, die sanften Tannine und den ausgewogenen Ausbau im Holzfass. Der Wein habe die zehn Jahre in der Flasche erstaunlich gut überstanden, was natürlich auch
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