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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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er hatte viele Freunde, konnte sich schöne Autos leisten, dieses komfortable Haus am Fuße des Tschögglberges, er konnte Golf spielen, wenn andere ins Büro mussten, er konnte reisen, in den besten Hotels wohnen, in den feinsten Restaurants speisen und seine kulturellen Interessen pflegen. Gewiss gab es Menschen, die ihn beneideten, die gerne mit ihm getauscht hätten, selbst heute noch.
    Ihm fiel der Jedermann von Hofmannsthal ein, er glaubte, sich auf einem Bankett zu sehen, an der Seite einer Buhlschaft mit wogendem Busen. Er langte sich an den Kopf. Seit wann läuteten bei Chopin Totenglocken? Rief da jemand seinen Namen? Wer würde mit ihm gehen? Hatte er ein sündhaftes Leben geführt? Nein, hatte er nicht. Aber das Schicksal, das ihn erst so verwöhnt hatte, meinte es nicht mehr gut mit ihm. Steixner schloss die Augen. Seine geliebte Frau war gestorben, nach langer Krankheit. Mit diesem Schicksalsschlag kam er nicht klar, er hatte es versucht, es gelang ihm nicht. Er konnte die Trauer überspielen, in Gesellschaft ging das ganz gut, da konnte er sogar lachen. Aber wenn er alleine war, holte ihn die Depression wieder ein, kam hervorgekrochen aus einem finsteren Loch, wie ein hinterhältiges Tier, das dort nur auf ihn gewartet hatte, das sich nicht abschütteln ließ.
    Auch die Erinnerung ließ sich nicht abschütteln, weder jene an seine verstorbene Frau, dafür war er sogar dankbar, noch die Erinnerung an die schrecklichsten Sekunden in seinem Leben. Steixner spürte, wie sich sein Puls beschleunigte, sein Atem ging schneller, gleichzeitig bekam er immer weniger Luft, glaubte zu ersticken. Warum konnte er nicht vergessen? Nach so vielen Jahren? Dabei war der einzige Zeuge gar nicht mehr am Leben, Niki war schließlich tot. Aber es wusste noch jemand von diesem traumatischen Ereignis, jemand, der ihm nicht von der Seite wich – nämlich er selbst!

[zur Inhaltsübersicht]
    14
    Das schmiedeeiserne Tor am privaten Ansitz des renommierten Schönheitschirurgen Prof. Dr. med. Falko Puttmenger stand weit offen, sodass Emilio ohne weitere Umstände über die gekieste Auffahrt fahren und neben einem roten Ferrari parken konnte. Er stellte den Motor ab, stieg aus und sah sich um. Alles war auf beängstigende Weise perfekt: der Rasen, die akkurat geschnittene Hecke, die Zypressen, die kugelrunden Buchsbäume neben dem Hauseingang, der staubfreie Lack des Sportwagens. Emilio, der das Chaos schätzte und die Unordnung zum Lebensprinzip erklärt hatte, schüttelte missbilligend den Kopf. Wer sich hier wohl fühlte, musste unter massiven Zwangsstörungen leiden. Sigmund Freud hätte von einem analen Charakter gesprochen, der in der frühkindlichen Phase beim lustvollen Ausscheiden von Fäkalien einem unnatürlichen Reinlichkeitszwang unterworfen wurde. Emilio liebte es, Menschen die aberwitzigsten Verhaltensstörungen zu unterstellen, das machte den Umgang mit ihnen kurzweiliger – selbst wenn man sie noch gar nicht kennengelernt hatte, wie in diesem Fall. Dabei gab es beim Professor wahrscheinlich eine ebenso simple wie langweilige Erklärung: Wer auf das äußere Erscheinungsbild einer zahlungskräftigen Klientel spezialisiert war, wer davon lebte, zu straffen und zu glätten, der musste auch sonst auf Schönheit und perfekte Ordnung bedacht sein. Jedenfalls nach außen. Alles Fassade, denn wie es dahinter aussah, konnte man nicht wissen.
    Emilio konnte seine Überlegungen nicht fortsetzen, denn die Haustür öffnete sich, und der Professor kam auf ihn zu. Er habe ihn bereits vor einer halben Stunde erwartet, sagte Puttmenger leicht vorwurfsvoll, aber wahrscheinlich habe der Baron den Weg nicht gleich gefunden. Wie auch immer, er habe noch etwas Zeit, und sie könnten sich gerne unterhalten. Eine kleine Katze strich vorbei. Falko Puttmenger lockte sie, nahm sie auf den Arm und streichelte sie zwischen den Ohren. Er ging voraus, sie setzten sich an einen Tisch unter einer Pergola, die natürlich nicht mit wildem Wein bewachsen war, denn dessen ungezügelte Triebhaftigkeit hätte nicht in diese aufgeräumte Welt gepasst.
    Emilio erklärte in kurzen Worten, warum er hier war. Dass er im Auftrag von Frau Steirowitz einige Erkundigungen zum Tode ihres Sohnes Niki anstellte. Dass er dies nur aus alter Freundschaft täte, denn natürlich mache das nach zehn Jahren keinen Sinn mehr. Und dass er von der alten Dame wisse, dass Puttmenger zum engsten Freundeskreis von Niki gezählt habe, deshalb wolle er mit ihm sprechen,

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