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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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auf die perfekte Lagerung zurückzuführen sei. Emilio hob das Glas und bedankte sich für den unerwarteten Genuss. Puttmenger war geschmeichelt – und sah seinen Besucher mit neuen Augen.
    Emilio konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. In Wahrheit fand er dieses blödsinnige Getue albern. Aber er hatte richtig vermutet, dass Puttmenger darauf abfahren würde, was sicher hilfreich für den weiteren Gesprächsverlauf war. Um im Bild zu bleiben: Er hatte sozusagen sein Gegenüber «aviniert», ihn zugänglicher und geschmeidiger gemacht. Wie nebenher lenkte er das Gespräch erneut auf Niki. Puttmenger erzählte bereitwillig von gemeinsamen Unternehmungen und Weinverkostungen.
    Schließlich kam Emilio auf Nikis Vinothek zu sprechen. Puttmenger lachte. Er sei wohl Nikis bester Kunde gewesen, stellte er fest. Nahezu alle italienischen Weine in seinem Weinkeller habe er von Niki bezogen. Ja, Niki sei gut im Geschäft gewesen, bestätigte er. Der plötzliche Wohlstand mit Porsche, Urlaub auf den Seychellen? Warum denn nicht? Das Leben sei doch dazu da, um es zu genießen. Niki habe es genau richtig gemacht. Sein früher Tod sei doch gerade ein Beweis dafür. Wer auf alles verzichte, seine Wünsche ignoriere und auf schöne Zeiten in der Zukunft hoffe, der habe die falsche Strategie. Carpe diem! Den Leitspruch müsse man richtig interpretieren, es gelte, jeden Tag zu genießen und von den Früchten des Lebens zu pflücken.
    Emilio überlegte, von welchen «Früchten des Lebens» wohl der Professor pflückte. Der Ansitz, der Ferrari, der Weinkeller … Er vermutete, dass es noch mehr gab.
    «Stimmt es, dass sich Niki ein Weingut kaufen wollte?», fragte Emilio.
    Puttmenger drehte am Stil seines Glases. «Ja, das stimmt, das war sein großer Traum», bestätigte er. «Niki wollte nicht nur mit Weinen handeln, er wollte sein eigenes Weingut besitzen, und zwar nicht irgendwo, sondern hier in Südtirol.»
    «Wie wollte er das schaffen? Wie ich gehört habe, wird kaum etwas verkauft. Außerdem sind Rebflächen extrem teuer.»
    «Aberwitzig teuer, deshalb kann sich eine solche Investition auch nicht rechnen. Man könnte genauso gut die Geldscheine zerreißen und in der Kloschüssel herunterspülen. Das macht aber keinen Spaß. Ein eigenes Weingut», Puttmenger schnalzte mit der Zunge, «das ist schon was. Ich kann Niki verstehen. Vielleicht hätte er es geschafft? Wir werden es nie erfahren.»
    «Im Bordeaux gibt es einen schönen Spruch», sagte Emilio. «Wer mit einem Weingut ein kleines Vermögen machen möchte, der muss zuvor ein großes Vermögen einsetzen.»
    Puttmenger lachte. «Das ist gut, das muss ich mir merken.»
    «Bleibt die Frage, wo hätte Niki das Geld hergenommen?»
    Puttmenger zögerte mit der Antwort. «Um ehrlich zu sein, das weiß ich auch nicht. Offenbar hatte er einiges auf der Seite, aber bestimmt nicht übermäßig viel. Den Rest hätte er sich wohl leihen müssen. Niki hat auch bei mir angeklopft, aber ich brauche mein Geld für mich selbst, das meiste stecke ich sowieso in meine Klinik. Bei mir war er an der falschen Adresse. Aber er hat viele Leute gekannt, außerdem gibt’s ja Banken. Das hätte er schon hinbekommen, irgendwie.»
    «Irgendwie», wiederholte Emilio nachdenklich. «Menschen, die etwas wirklich wollen, die von einem Gedanken besessen sind, die finden einen Weg.»
    «Glaube ich auch.»
    «Jedenfalls hilft es nicht, sich von einem Berg zu stürzen.»
    «Nein, definitiv nicht.»
    «Und ein Mordmotiv lässt sich aus all dem leider auch nicht konstruieren, für wen auch immer.»
    «Sind Sie jetzt enttäuscht?», fragte Puttmenger.
    Emilio lächelte. «Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin froh, wenn ich der alten Dame sagen kann, dass es wohl wirklich ein Unglück war.»
    «Das war es, davon bin ich überzeugt.»
    Emilio nickte bestätigend. Dabei dachte er, dass es Naturvölker gab, bei denen Nicken eine Verneinung bedeutete.
    Zum Ausklang unterhielten sie sich über vollmundige Süßweine im Allgemeinen und über aromatischen Rosenmuskateller im Speziellen. Dann sah Puttmenger erneut auf die Uhr. Er müsse jetzt dringend weg, sagte er, er hoffe, dass er dem Herrn Baron habe weiterhelfen können, mit den besten Empfehlungen an die gnädige Frau Steirowitz. Wenn er noch irgendwelche Fragen habe, solle er sich doch bitte wieder melden. Von Emilio erhielt er dessen Visitenkarte, damit er ihn erreichen könne, falls ihm wider Erwarten noch etwas einfiele. Er begleitete Emilio zum Land Rover.

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