Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
prost, wollte er alle verkosten, noch dazu von verschiedenen Erzeugern, wäre er die nächsten Tage respektive Wochen voll ausgelastet und permanent betrunken. Aber das Projekt hätte zweifellos seinen Reiz.
Emilio kam nicht dazu, darüber weiter nachzudenken und eine aufopferungsvolle Weinverkostung ernstlich in Erwägung zu ziehen, denn sein Handy machte sich mit einem penetranten Klingelton bemerkbar. Theresa Steirowitz war dran und fragte, wie er vorankäme. Fast hätte er geantwortet, dass er gerade auf dem besten Wege sei, die empfehlenswerten Erzeuger von Weißburgunder herauszufinden. Er räusperte sich und sortierte seine Gedanken. Wie er vorankäme? Gute Frage. Nun, er habe schon einige aufschlussreiche Gespräche geführt, antwortete er. Dabei sei noch nichts Konkretes herausgekommen, aber er mache Fortschritte. War das ein Widerspruch?
Ob er immer noch glaube, dass Niki Opfer eines Bergunfalls geworden sei, fragte Theresa.
Schon wieder eine gute Frage. Darauf hatte er keine Antwort. Es gab bei Ermittlungen Phasen, da war es besser, keine voreiligen Theorien zu entwickeln. Er hatte gelernt, einfach abzuwarten, die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Dann würde man sehen. Dies galt erst recht bei diesem Fall. Er erinnerte sich, dass er ohne sonderliche Ambitionen nach Südtirol gefahren war. Den Auftrag von Theresa hatte er nicht ernst genommen, nur den Vorschuss, den hatte er gut brauchen können. Und jetzt? Er stellte fest, dass seine anfängliche Gleichgültigkeit einer zunehmenden Neugier gewichen war. Nikis Schicksal fing an, ihn zu interessieren. Theresa wartete auf eine Antwort. Wieder räusperte sich Emilio. Er habe noch keine Meinung, antwortete er wahrheitsgemäß, aber er wolle eine Gewalttat nicht ausschließen. Noch sei er sich über Nikis damalige Lebensumstände nicht wirklich im Klaren, vielleicht habe er sich Feinde gemacht …
Ein einziger Feind reiche schon, fiel ihm Theresa ins Wort.
Da habe sie recht, sagte Emilio. Schwieriger werde es bei einer größeren Anzahl von potenziellen Tätern, die vielleicht alle ein Motiv hätten. Aber das sei hypothetisch, noch habe er keinen gefunden.
Niki sei sehr beliebt gewesen, stellte Theresa fest.
Emilio dachte, dass die meisten Mütter dies von ihren Söhnen behaupten würden. Aber bei Niki schien es sogar zu stimmen, jedenfalls hatte sich der Schönheitschirurg entsprechend geäußert.
Ja, allgemein beliebt sei Niki wohl gewesen, bestätigte Emilio schon deshalb, um der alten Dame eine Freude zu machen. Wo eigentlich die privaten Sachen von Niki seien, fragte er spontan. Sie habe doch von einem alten Sakko gesprochen, in dem ihre Haushälterin Greta den ominösen Zettel mit der Warnung gefunden habe.
Theresa sagte, dass sich alles in ihrem Meraner Haus befände, im alten Jugendzimmer von Niki, verpackt und verstaut in Umzugskartons. Sie habe es bis heute nicht geschafft, diese durchzusehen oder Dinge wegzuwerfen. Er müsse das verstehen, sie könne immer noch nicht glauben, dass Niki niemals wiederkäme.
Er fragte, ob er sich die Kartons mal anschauen dürfe.
Natürlich, antwortete Theresa. Er müsse sich nur bei Greta melden, sie würde ihr schon mal Bescheid geben und sein Kommen avisieren.
Emilio vertröstete Theresa auf die nächsten Tage und stellte weiteren Erkenntnisgewinn in Aussicht. Woher nahm er diese Zuversicht? Er wusste es nicht, er hatte auch keine Strategie. Aber das machte nichts, er hatte nur selten einen Plan. Nach seiner Lebenserfahrung kam man so am besten ans Ziel.
Immerhin wusste er, dass er mit Phina zum Mittagessen verabredet war. Er stand auf, gab die Bücher und Zeitschriften zurück, einen Weinführer kaufte er, dann machte er sich auf den Weg. Allerdings kam er nicht weit, denn gleich mehrere Kellereien hatten ihre Verkaufs- und Degustationsräume in unmittelbarer Nähe. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als dort zu halten und einige Weine zu verkosten. Leider unter Verwendung eines Spuckkübels, schließlich musste er noch fahren. Weinverkostungen dieser Art kamen ihm vor wie ein Coitus interruptus – der Höhepunkt war ausgesprochen unbefriedigend, aber besser, als in Keuschheit zu darben.
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Die Amici del Vino hatten sich auf Puttmengers Ansitz zusammengefunden, genauer gesagt in seinem Weinkeller. Florian Welswacker, Besitzer einer Werbeagentur in Meran. Armin Rottenthaler, prominentes Mitglied des Bozner Gemeinderates. Ernst Steixner, Privatier aus Terlan mit
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