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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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hatte.
    Ohne eine Träne zu vergießen, startete Phina die Maschine und fuhr weiter. Die Zeiten hatten sich geändert. Ihre Rebstöcke waren stark, sie hatten tiefe Wurzeln und mussten kaum bewässert werden. Es lagen keine Schläuche herum, es konnte nicht passieren, dass etwas unbemerkt unterspült wurde. Heute würde die Mauer halten. Aber damals, da hatte die Mauer Phinas Leben verändert.

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    24
    Emilio hatte einen der Liegestühle vor Phinas Haus in den Schatten gerückt. Hier ruhte er schon seit Stunden, mit hochgelegten Beinen und geschlossenen Augen. Er hatte sich diese Pause verordnet, nachdem er festgestellt hatte, dass die letzten Tage geradezu hektisch verlaufen waren. Jedenfalls gemessen an dem, was er als überzeugter Phlegmatiker für erstrebenswert hielt. Schlimm genug, dass die meisten Menschen als Getriebene durch das Leben hechelten. Wie Stubenfliegen, die planlos hin und her sausten – um nach wenigen Wochen zu sterben. Da nahm er sich lieber ein Krokodil zum Vorbild, das konnte lange Zeit bewegungslos daliegen, völlig apathisch, kaum atmend, mit verlangsamtem Herzschlag. Krokodile existierten schon seit über zweihundert Millionen Jahren, und sie wurden ziemlich alt, das Konzept konnte folglich nicht falsch sein. Es war nicht einzusehen, dass er für den Vorschuss von Theresa seine Gesundheit aufs Spiel setzte.
    Obwohl es in seinem linken Arm kribbelte, widerstand Emilio der Versuchung, sich zu bewegen. Auch hatte er erfolgreich einen Niesreiz niedergekämpft. Das krokodilhafte Daliegen erforderte viel Disziplin, war nichts für Anfänger. Wichtig war, dass auch der Kopf seinen Betrieb weitgehend einstellte. Es gab Menschen, bei denen war das der Normalzustand, die mussten sich dafür nicht besonders anstrengen. Fast hätte Emilio gelächelt. Er merkte, wie sich die Erstarrung langsam löste. Vorsichtig öffnete er ein Auge. Ein Krokodil könnte jetzt von einer Sekunde auf die andere zum Angriff übergehen, seine Beute packen und ihr den Garaus machen. Das könnte er nicht. Außerdem war keine Beute zu sehen.
    Emilio richtete sich stöhnend auf, suchte seine Sonnenbrille und nahm einen Schluck aus einer Wasserflasche. Dann blätterte er in einer Bozner Tageszeitung vom gestrigen Tag. Eigentlich schaute er sich nur die Fotos und Anzeigen an, zum Lesen war er zu müde. Plötzlich stutzte er. Unter einem Bild, auf dem ein Bahngleis zu sehen war, mit einer rot markierten Stelle, und einem kleineren Foto von einem Zug, stand ein Name, der ihm bekannt vorkam. Steixner, Steixner, Emil Steixner … Doch, doch, ganz sicher … Jetzt wusste er es, der Name stand auf Theresas Liste mit Nikis alten Freunden, gleich unter dem Schönheitschirurgen Prof. Puttmenger. Auch mit Steixner hatte er sprechen wollen. Ob das noch möglich war? Emilio las den kurzen Artikel. Da hatte der gute Mann aber Glück gehabt. Offensichtlich hatte er in Terlan ein Bahngleis überquert, den herannahenden Zug übersehen, hatte sich im letzten Moment mit einem Sprung gerettet, war dabei noch von der Lok gestreift worden und dann die Böschung heruntergestürzt. Jetzt lag er verletzt im Bozner Zentralkrankenhaus. Emilio las den Artikel ein zweites Mal und sah sich die Fotos genauer an. Das musste ja eine tolle Abkürzung sein, dachte er, dass man dafür einen solch beschwerlichen Weg wählte. Vom Risiko ganz zu schweigen. Wenn er das richtig sah, handelte es sich bei dem Zug auf dem Bild um eine Diesellok. Wie auch immer, den herannahenden Zug musste man doch hören? Vielleicht war der Steixner schwerhörig, das wäre eine Erklärung. Schwerhörig, aber gut auf den Beinen. Warum nicht? Aber ziemlich unwahrscheinlich.
    Emilio blieb noch eine Weile liegen. Aber mit der stoischen Ruhe war es vorbei. Schließlich stand er auf und ging ins Haus. Dort überzeugte er sich, dass der Name stimmte. Dann fand er beim Telefon im Flur ein Telefonbuch. Er suchte die Nummer des Zentralkrankenhauses in Bozen und rief dort kurzentschlossen an. Er gab sich als Freund von Emil Steixner aus und sagte, dass er ihn gerne besuchen wolle, ob das möglich wäre? Selbstverständlich, bekam er zur Antwort, und weil Steixner auf der Privatstation liege, gebe es auch keine Besuchszeiten. Emilio lehnte das Angebot, sich verbinden zu lassen, dankend ab. Sein Besuch solle eine Überraschung sein.
    Er setzte sich auf einen Schemel und dachte nach. Er hatte ohnehin vorgehabt, sich in Bozen mal das Museum für moderne Kunst anzuschauen, vor

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