Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
spielte mit dem Silberknauf seines Gehstocks. Steixner nahm einen Schluck aus einer Schnabeltasse.
«Kennen Sie das Gelassenheitsgebet?», fragte Emilio.
«Nein, kenne ich nicht. Ein Gebet? Sind Sie also doch gläubig?»
Emilio schüttelte den Kopf. «Schon lange nicht mehr. Trotzdem gefällt mir dieses Gebet, wenn man den Gott dabei weglässt, macht’s immer noch Sinn.»
«Schießen Sie los.»
«Es stammt von dem amerikanischen Theologen Niebuhr. Gott, gib mir die Gelassenheit, zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Gib mir den Mut, zu ändern, was zu ändern ist. Und gib mir die Weisheit, zwischen beidem zu unterscheiden.»
«Gelassenheit, Mut, Weisheit. Gefällt mir. Und was wollen Sie mir damit sagen?»
«Denken Sie in Ruhe darüber nach. Ich kenne Ihre Situation nicht, weiß nicht, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Vielleicht klappt es mit der Gelassenheit. Oder Sie brauchen den Mut, etwas zu ändern. Beides sind gute Optionen.» Emilio stand auf und nahm Steixners gesunde Hand. «Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Passen Sie auf sich auf.»
«Wie kann ich Sie erreichen?», fragte Steixner.
Emilio reichte ihm eine Visitenkarte. «Hier, meine Handynummer. Ich bleibe sicher noch einige Tage.»
«Ich melde mich.»
«Tun Sie das. Vielleicht fällt Ihnen doch noch was zu Niki ein.»
«Zu Niki? Ach so, natürlich.»
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25
Marco hatte wieder seinen Beobachtungsposten auf dem Hügel vor Puttmengers Anwesen bezogen. Er wollte nicht lange bleiben, aber wenn der Professor gerade jetzt nach Hause kommen sollte, was zu dieser Tageszeit gut möglich war, dann würde er gerne seine Reaktion sehen. Er hatte ihm nämlich einen Umschlag vor die Tür gelegt und diesen mit einer Dose Katzenfutter beschwert. Er musste kichern. Das war doch wirklich eine intelligente Anspielung, so was sollte einem Akademiker gefallen. Vor allem hatte die Katze auf dem Etikett Ähnlichkeiten mit der Mieze, die der Mann so gerne gestreichelt hatte – und die jetzt vermutlich irgendwo auf dem Grundstück beerdigt war.
Ein Auto näherte sich dem Haus. Nicht Puttmengers roter Ferrari, sondern ein schwarzer SUV, den er schnell als Porsche Cayenne identifizierte, das neueste Modell. Mit Autos kannte er sich aus, das war eine Leidenschaft von ihm. Im Gefängnis hatte er neben Pornoheftchen am liebsten Autozeitschriften angeschaut. Wenn alles gut lief, könnte er sich seine Träume bald erfüllen. Im Puff war er schon gewesen, sogar zweimal, aber das meinte er nicht. Er dachte an eine ständige Begleiterin mit knackiger Oberweite – und an einen ähnlichen Ferrari, wie ihn Puttmenger besaß. Vielleicht sollte er kein Geld verlangen, sondern gleich das Auto? Nein, das funktionierte nicht, außerdem brauchte er darüber hinaus noch Geld zum Tanken und für die Annehmlichkeiten des Lebens. Aber er könnte ihm das Auto klauen. Doch, das war eine gute Idee. Nach erfolgter Geldübergabe, sozusagen als Bonuszahlung. Der Gedanke gefiel ihm.
Jetzt hielt der Cayenne vor dem Eingangstor. Wer zum Teufel war das? Das elektrische Tor öffnete sich von selbst, also gab es eine Funkfernsteuerung, gut zu wissen. Das Auto fuhr über die gekieste Zufahrt, hielt schließlich vor dem Ansitz.
Marco nahm sein Fernglas und stellte scharf. Eine Frau stieg aus, zwar in Jeans und legerer Bluse, aber eine elegante Erscheinung, das sah er sofort. Dann gingen die Türen im Fond auf, und zwei halbwüchsige Kinder erschienen, ein Junge und ein Mädchen. Okay, alles klar. Er hatte vergessen, dass Puttmenger verheiratet war. Seine Frau lebte mit den Kindern in Deutschland. An den Wochenenden und in den Schulferien besuchten sie sich, abwechselnd mal hier und dort. Mist, das passte nicht in seinen Plan. Wenn die länger blieben, kam alles durcheinander. Und vielleicht besprach Puttmenger seine Probleme mit seiner Frau? Marco dachte nach und grinste. Ganz bestimmt nicht, so viel war sicher.
Er sah, wie sich die Frau bückte. Ach du Scheiße, jetzt hatte sie den Umschlag und die Dose mit dem Katzenfutter entdeckt. Hatte er den Umschlag zugeklebt? Ja, hatte er, Gott sei Dank. Und was hatte er draufgeschrieben? «Mein herzliches Beileid!» Das war weniger direkt als «Pisser» – und würde die Ehefrau vielleicht davon abhalten, den Umschlag zu öffnen. Später war dann Puttmengers Kreativität gefordert, um ihr zu erklären, was ein Kondolenzschreiben mit einer Dose Katzenfutter zu tun hatte. Und das alles, ohne ihr den Inhalt des Umschlags zu
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