Tod On The Rocks
es sich leisten können«, knurrte Geraldine.
»Gewiss. Die Menschen kommen hierher, um Ski zu fahren und andere Menschen kennenzulernen und ein Glas Grog zu trinken... «
»Das Lokalgetränk ist Pfefferminzlikör«, bemerkte Geraldine.
»Pfefferminzlikör oder was auch immer«, sagte Regan. »Diese Stadt wurde von Menschen gebaut, die ein Risiko wagten, nicht von solchen, die auf Nummer Sicher gingen. Ihr Gro ß vater war einer der ersten. Wahrscheinlich würde es ihn sehr bekümmern, jemanden verlieren zu sehen, bevor er überhaupt richtig angefangen hat.« Geraldine starrte zu den Bergen hinüber. Wer wei ß , welche Erinnerungen an Pop-Pop ihr durch den Kopf gehen, dachte Regan.
Schlie ß lich sagte Geraldine: »Nun, wahrscheinlich ist niemand vollkommen. Es wird kühl.« Sie wickelte sich fester in ihre Jacke. »Warum trinken Sie und Ihr Freund nicht einen Kaffee mit mir?«
Louis, der bis jetzt schweigend dagestanden hatte, den einen Fu ß vor den anderen gesetzt, als wollte er von einem Moment zum anderen fliehen, wenn Geraldine ihn attackierte, sah plötzlich aus, als hätte er Lust, zwei Meter hoch in die Luft zu springen. Er klatschte in die Hände. »Haben Sie vielleicht auch Kräutertee?« fragte er, als er ihr ins Haus hinein folgte.
»Kräutertee ist was für Schlappschwänze«, erwiderte ihre Gastgeberin streng.
In den nächsten fünfundvierzig Minuten sa ß en sie mit Geraldine bei einer Tasse Kaffee zusammen und unterhielten sich.
»Nennen Sie mich Geraldine«, bat sie sie.
Regan fand das Haus sehr gemütlich. Ein Christbaum, der mit altem Weihnachtsschmuck aus dem Familienbesitz dekoriert war, Bilder in silbernen Rahmen und Stechpalmenzweige, die den Kaminsims schmückten, das Gemälde von Pop-Pop, geblümte Vorhänge und ein orientalischer Teppich - all das vermittelte den Eindruck, dass das Haus und seine Bewohnerin eine lange gemeinsame Geschichte hatten. Man konnte Geraldines Pr ä senz in jedem Winkel sp ü ren. Offensichtlich war alles Wertlose in den Schuppen gebracht worden.
Ein Blumenstrau ß stand in der Mitte des Esstisches, an dem sie den Kaffee tranken.
»Sie sind wunderschön«, sagte Louis und beugte sich über sie, um den intensiven Duft einzuatmen.
Ein Lächeln huschte über Geraldines Gesicht. »Ich hatte einen Verehrer, der mir immer einen gro ß en, dicken Strau ß Vergissmeinnicht pfl ü ckte. Deshalb habe ich so gerne frische Blumen um mich; sie erinnern mich an ihn. Wir sind h ä ufig zur Maroon Bells-Snowmass Wilderness hinausgegangen und haben ü ber Gott und die Welt philosophiert. Und über den Sinn des Lebens. Oder wir schnappten uns unsere Angelruten, liefen zum Roaring Fork River oder zum Frying Pan River und versuchten unser Glück mit den fliegenden Fischen ...« Ihre Augen leuchteten, als die alten Erinnerungen wieder wach wurden.
»Wann war das?« fragte Regan.
»Im letzten Jahr. Neben Pop-Pop war Purvis der intelligenteste Mann, den ich je getroffen habe. Eines Tages wachte er auf und war tot.«
»Wie traurig«, sagte Louis aufrichtig und fragte sich insgeheim, wie man tot aufwacht.
»Ein ziemlicher Reinfall«, stimmte Geraldine ihm zu. Regan lächelte. Sie bezweifelte, dass es in all den Jahren, in denen ihr Vater die Beerdigungsunternehmen gef ü hrt hatte, jemals jemanden gegeben hatte, der gekommen war, um dem Toten seine Aufwartung zu machen, und die Familie mit dem Kommentar »ein ziemlicher Reinfall« begrü ß t hatte.
»Wir hatten viel Spa ß miteinander « , fuhr Geraldine fort. » Er war an allem interessiert. Er hatte noch nicht lange hier gelebt und wollte alles ü ber die Geschichte der Stadt erfahren.«
Regan hatte den Eindruck, dass Geraldine es genoss, ein paar Zuh ö rer zu haben. Da Purvis jetzt im Jenseits war, war sie offensichtlich sehr viel allein und schien die Gesellschaft ihrer G ä ste zu genie ß en. Ich h ä tte ja nur zu gern gesehen, wie sie mit Purvis umging, dachte Regan. Es war schwer, sich Geraldine mit einem Mann vorzustellen, zumal der Geist von Pop-Pop den Raum nie zu verlassen schien. »Ich wette, es gab auch eine Menge Geschichten über Ihren Pop-Pop, die Sie Purvis erzählten.«
»Pop-Pop war eine wirkliche Persönlichkeit«, bestätigte Geraldine. »Er hatte so viel Abenteuerliches erlebt, dass es nie langweilig wurde, ihm zuzuh ö ren. Ich habe versucht, all seine Geschichten in meinem Ged ä chtnis zu bewahren. « Sie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und biss in einen der Blaubeermuffins, die sie auf
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