Tod On The Rocks
eine völlig fremde Welt, etwas, worüber andere Leute nachdachten, aber nicht Bessie.
Sie zog den Reißverschluss ihrer r ö hrenf ö rmigen Reisetasche im Paisley-Muster zu und sah sich im Zimmer um, ob sie etwas vergessen hatte. Na ja, wenn schon, ich kann mir von Carmel ja alles ausleihen, dachte sie. Sie hatte auf dem Anrufbeantworter ihrer Cousine die Nachricht hinterlassen, dass sie f ü r ein paar Tage komme. Carmel hatte sie ohnehin st ä ndig gedr ä ngt, eine Weile Urlaub zu machen. Und es würde guttun, alles in Ruhe mit ihr zu besprechen. Bessie konnte es kaum glauben, dass Eben noch einen zweiten schweren Diebstahl begangen hatte.
Sie nahm ihre Tasche vom Bett. »Gehen wir, Mary Poppins«, sagte sie zu sich selbst.
Fünfzehn Minuten später sa ß Bessie in einem der bequemen Sessel in der Bar nahe der Bushaltestelle. Sie h ä tte es vorgezogen, wenn der Sessel ein wenig n ä her am Kamin gestanden h ä tte, aber man musste ziemlich fr ü h dort hinkommen, wenn man einen jener Vorzugsplätze ergattern wollte. An diesem Tag war es ihr allerdings nicht so wichtig wie sonst. Gewöhnlich machte es ihr Spa ß , die Leute zu beobachten, wie sie wie die Pfauen in ihrer modischen Skikleidung herumstolzierten, doch heute bestellte sie nur einen Gin Martini und nahm kaum Notiz von dem, was um sie herum vorging. In der Ecke griff ein Pianospieler mit viel Gefühl in die Tasten, aber Bessies wippender Fu ß war dreimal schneller als der Rhythmus. Ein Paar kam herein und ging auf das schmale Zweiersofa direkt neben Bessie zu.
»Wie wär’s mit diesem Platz, Judd?« fragte die Frau.
Sie setzten sich hin, und der Mann legte in Macho-Manier ein Bein über das andere, wobei ein Fu ß auf seinem Knie lag und Bessie genau auf die Sohle seines schwarzen Cowboystiefels sah. Es dauerte einen Moment, bis sie es bemerkte, aber als sie es tat, gefror ihr das Blut in den Adern. Ein verdreckter orangefarbener Kaugummi klebte an der Sohle. Sie warf einen Blick auf den Rest des Stiefels und erkannte die geschnörkelte silberne Verzierung an der Seite. Das war der Stiefel von Santa Claus! Sie war vollkommen sicher, dass es derjenige war, den sie sich vor ein paar Tagen so genau angeschaut hatte. Aber dieser Mann war nicht Eben. Ich muss Regan Reilly anrufen, dachte sie.
Sie sprang schnell, ein wenig zu schnell, auf, genau in dem Moment, als die Kellnerin mit dem Drink kam, den sie bestellt hatte.
»Ich habe es mir anders überlegt«, stammelte sie.
»Aber der Drink war bereits bestellt...«
»Ich werde ihn bezahlen«, sagte Bessie und zog mehrere Geldscheine aus ihrem Portemonnaie. Mit zitternden Fingern legte sie sie auf das Tablett der Kellnerin. Sie wollte so schnell wie möglich zum Telefon.
Als sie sich zum Gehen wandte, fiel ihr das Portemonnaie aus den Händen. Es landete zu Fü ß en des Mannes, der die Cowboystiefel trug. Als sie sich b ü ckte, um es aufzuheben, beugte er sich ebenfalls vor, in der Absicht, ihr zu helfen. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von seiner Fu ß sohle entfernt, als ihre Blicke sich trafen. Seine Augen wanderten zwischen dem Kaugummi und Bessie hin und her; ein kurzes Aufflackern zeigte, dass er sie wiedererkannt hatte. Bessie erschauderte.
»Danke«, flüsterte sie und stürzte, die Reisetasche in der Hand, den langen Flur hinunter zum Telefon. Sie holte Regan Reillys Nummer heraus und wählte.
Ein Büroangestellter am anderen Ende der Leitung teilte ihr mit, dass Regan nicht da sei. Ob er etwas ausrichten k ö nne?
»Hier spricht Bessie Armbuckle. Es ist sehr wichtig, dass ich mit ihr rede... «
Eine Hand schob sich vor sie und drückte die Gabel hinunter. Willeen und Judd standen unmittelbar hinter ihr.
»Schätzchen, wir machen mal eine kleine Spritztour mit dir«, sagte er. »Wenn du ein bisschen nett bist, wird hier niemandem ein Haar gekr ü mmt. Aber wenn du ein gro ß es Theater machst, dann kann ich für nichts garantieren.«
Bessie legte den Hörer auf die Gabel und ging mit schwankenden Schritten zwischen ihnen zur Seitentür hinaus auf den Parkplatz.
15
»Ich kann gar nicht glauben, dass es so sp ä t geworden ist « , sagte Regan, als sie und Louis Ludwig XVIII. vorsichtig durch die Tür seines Restaurants bugsierten. »Es ist schon vier Uhr.«
»Zeit für einen Cocktail«, meinte Louis zufrieden. »Wir sollten auf Geraldine ansto ß en. Und auf dich, weil du mich gezwungen hast, mich mit ihr auseinanderzusetzen.«
»Manchmal ist es notwendig, sich mit solchen
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