Tod sei Dank: Roman (German Edition)
hinzufügen.«
»Natürlich.« Heath versuchte, einen bedauernden Ausdruck in seinen Blick zu legen: Tut mir leid, dass ich dir die Nase gebrochen habe.
»Eine Auflage besteht darin, dass Sie nach Anweisung Ihres Sozialhelfers an Drogenberatungen sowie an Anti-Aggressions-Trainings und arbeitsbegleitenden beziehungsweise ausbildungsbegleitenden Maßnahmen teilnehmen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Heath. »Sobald ich wieder auf den Beinen bin, möchte ich mir eine Arbeit suchen. Ich will meinen Töchtern Geschenke kaufen. Und eine schöne Hochzeitsfeier organisieren.«
Die Beurteilung viel einstimmig aus.
Das Gefängnis peitschte die nötigen Formalitäten im Eilverfahren durch.
Am nächsten Tag würde Heath entlassen werden.
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Kapitel neunundvierzig
Ich überbrachte eine Nachricht. Eine wunderbare Nachricht. Alfred hätte sie gefallen, aber er war nicht der Empfänger. Der Anfang dieser Nachricht lautete etwa so:
Preston,
um neun Uhr morgens bin ich aufgewacht und ins Badezimmer gegangen. Ich habe mir zwei Minuten lang die Zähne geputzt und die Zeit mit einer Eieruhr gemessen. Ich bin unter die Dusche gegangen. Ich bin aus der Dusche gekommen. Ich habe mich abgetrocknet. Ich habe mich in meinem Zimmer angezogen. Ich bin die Treppe hinuntergegangen. Ich habe gefrühstückt: Crunchy Nut Cornflakes und ein Glas Wasser. Im Wohnzimmer habe ich zehn Minuten lang die Morgennachrichten geschaut. Ich habe vom Telefon in der Diele aus im Gefängnis angerufen und einen Besuch bei Dir angemeldet. Dann bin ich zur Bushaltestelle gegangen …
Der Brief war drei Seiten lang. Im Bus schrieb ich weiter daran, und im Eingangsbereich des Gefängnisses beendete ich ihn. Ob das ausreichte? Wenn ich ihm täglich einen Brief schickte, der zusammenfasste, was er gesehen hätte, wenn er mich beobachtet hätte – ob das interessant genug für ihn wäre? Würde er ihn immer wieder lesen? Es würde keine versteckten Botschaften geben, wie jene, die ich mir früher für meine Mutter und Heath ausgedacht hatte (wenn sie zum Beispiel »Wie g4ht es dir?!« fragte, meinte sie in Wahrheit: »Bei meinem nächsten Besuch schmuggle ich belgische Schokolade ins Gefängnis«), aber der Brief drückte die Art von Liebe aus, die ich mir erträumt hatte. Schwierige Liebe, die Opfer und Schmerz mit sich bringt. Würde Preston meine große Liebe werden, meine love story? Ich würde es wissen, sobald ich sähe, wie er meinen Brief las. Wenn die Antwort »Ja« lautete, wäre mir alles andere egal: Papas Tests, dass Kay die Niere bekam, dass ich wartend weiterlebte – oder eben nicht.
Ich gab der maskulinen Frau und dem feminin wirkenden Mann am Empfang meinen Ausweis, legte meine Tasche ins Schließfach und folgte einem uniformierten Einsdreiundachtzig-Mann, der als Model hätte arbeiten können, die Treppe hinauf in den Besucherbereich.
Ach, Preston. Warum war sein Schädel zur Hälfte kahlgeschoren? Ohne seine Sonnenbrille, seine volle Haarpracht und einen Ort zum Verstecken … ich weiß nicht.
»Wie geht es dir?«, fragte ich und setzte mich ihm gegenüber. »Ich habe dir einen Brief mitgebracht.«
Preston verhielt sich sehr seltsam, als ob er zwei Zungen im Mund hätte. Keine Ahnung, was mit dem Kerl nicht stimmte. Er streckte die Hand aus und nahm den Umschlag. Ich wartete darauf, dass er etwas sagte oder den Umschlag öffnete. Stattdessen guckte er die ganze Zeit zu einem jungen Häftling hinüber, der an einem Tisch neben der Tür saß. Er konnte den Blick gar nicht von ihm wenden.
»Nun mach ihn schon auf«, sagte ich, und er tat es. Guckte eine Zehntelsekunde drauf und legte ihn hin.
»Wen schaust du an?«, fragte ich.
Er konnte kaum sprechen. Mit seinem Mund und seiner Kehle stimmte etwas nicht. »Er heißt Jason McVie«, murmelte er unter Schwierigkeiten. Er sah mich immer noch nicht an.
Was sollte ich davon halten? Wer war dieser Typ?
»Jason McVie.« Ein zweites Mal hätte er es nicht sagen müssen. Einmal hatte gereicht, um mir klarzumachen, dass dies nicht meine große love story werden würde. Er hatte mich jetzt schon durch einen leicht erreichbaren jungen Mitgefangenen ersetzt. Er war nichts als ein gut aussehender, junger Stalker mit einem komisch zugerichteten Mund.
Ich zögerte, seufzte, nahm ihm den Brief aus der Hand und steckte ihn in die Hosentasche.
»Ich werde mich nie in dich verlieben, Preston«, sagte ich.
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Kapitel fünfzig
Heath wurde um elf Uhr vormittags entlassen. Man händigte ihm
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