Tod to go (Crime Shorties)
Bereit, das Geschenk des Lebens in Empfang zu nehmen.
Nun gut, es gab nur knapp 300 Mambo-Willige, die in den geschmückten Ballsaal des Congresszentrums am Dammtor strömten.
Ich postierte mich an der Eingangstür und traf meine Vorauswahl. Badete in ihren Gesichtern und kleinen ungeschickten Bewegungen, im Leuchten ihrer Augen, ihren Frisuren und High Heels. Dies hier war mein Fest, mein Debütantinnenball. Klar, es war nicht gerade das Wiener Hoftheater, sondern nur ein umgebauter Konferenzsaal im Congress Centrum. Vorn hatte man ein Holzpodest aufgebaut, auf dem ein angeblich aus Kuba eingeflogener Mambo-Eintänzer mit einer Partnerin seine Künste vorführte. Den Typ auf der Bühne mussten sie aus irgendeiner Seniorenresidenz entführt haben und überhaupt sah das Ganze mehr nach Betriebsfest in einer Spedition aus. Aber egal.
Ich ging jede Einzelne durch. Alter, Aussehen, Ausstrahlung … am Ende blieben sechs Kandidatinnen, die sich ohne Begleiter zum »Mambo ihres Lebens« eingefunden hatten.
Einen Zwillingsanhänger trug keine um den Hals, aber das schärfte nur meinen Jagdinstinkt.
Ich nahm sie mir alle sechs vor. Mit einem Gläschen in der Hand fragte ich mich Schritt für Schritt durch zum Herzen meiner noch unentdeckten Zwillingsfrau. Drei von ihnen gaben nichts auf Horoskope. Kandidatin Vier konnte »ohne sie nicht leben«.
»Keine Entscheidung ohne Sternenunterstützung«, sagte sie.
»Sie lesen die Horoskope in den Zeitungen?«
»Nur deshalb kaufe ich die Blätter.«
»Aber das Wochenblatt gibt es umsonst.«
»Wochenblatt?«
Nun gut, dieser Fisch war als Beifang ins Netz gegangen. Von einer höheren Macht hineingespült, sozusagen.
»Ich habe ein Haus in Montevideo, Uruguay, Sie verstehen?«, sagte sie.
Ich verkniff mir, nach einem Boot zu fragen, sah uns aber schon bei Sonnenuntergang zu Mamboklängen über die Terrasse schieben. In diesem Augenblick war ich fest entschlossen, Haiti-Kalle einen zweiten Hunderter zukommen zu lassen.
»Montevideo liegt doch am Meer?«, versuchte ich mein Glück, denn das Boot geisterte mir im Kopf herum.
»Oh, ja, ich liebe das Meer.«
Ja, das ginge mir auch so, sagte ich.
»Die Sterne haben immer recht«, sagte sie, kicherte und fügte ein »Ich bin im Zeichen der Fische« geboren hinzu.
Möglich, dass sich die Horoskope und auch Haiti-Kalle leicht vertan hatten, und möglich auch, dass in Südamerika die Sternzeichen auf einen ganz anderen Monat fallen. Das Kreuz des Südens und so.
Ich tanzte also den Mambo mit ihr und legte mich ordentlich ins Zeug, als ich sie zurück zu ihrem Tisch führte.
»Sie sind die schönste Blume des Abends«, sagte ich.
»Oh, wie reizend«, erwiderte sie, deutete auf ein verhutzeltes Männlein und sagte: »Darf ich Ihnen meinen Mann vorstellen.«
Trotzdem, die Sterne haben immer recht. Es ist sinnlos, dagegen aufzubegehren. Der Kosmos lässt sich nicht betrügen.
Kandidatin Fünf also. Und ich jubelte. Ausgerechnet die Attraktivste hatte ich aufgehoben. Meine Nummer Fünf! Da war sie!
Ich forderte sie zum Tanzen auf und schon bei unserer ersten Pause wurden all meine Mühen der letzten Wochen und Monate belohnt. Eine Zwillingsfrau! Die hin und wieder Horoskope las. »Mehr zum Spaß«, wie sie sagte.
Tief im Innersten wusste ich, dass sie die Frau war, die mir die Sterne zugesprochen hatten.
Sie lachte, strich mit drei Fingern über den Swarowski-Anstecker auf meinem Jackett, lobte meinen Mut, so etwas zu tragen.
»Eine plötzliche Eingebung«, sagte ich. Und tatsächlich: Ihre Augen leuchteten. Ich verliebte mich in ihr Lachen, in den Duft ihrer Haut und selbst in ihre abgewetzte Kroko-Handtasche, die wohl ein Geschenk einer älteren Verwandten war. Wahrscheinlich von einer steinreichen Tante, die darauf bestand, dass ihre Nichte zumindest etwas Persönliches von ihr dabei hatte. Ja, diese Handtasche signalisierte mir, dass meine Leben auch in finanzieller Hinsicht eine Wendung erfahren würde. Statt Silbersack und besoffenen Mitzechern in Zukunft nur noch Cocktails und gelegentlich einen Champagner, mit dem man den Abend einläutete. Sundowner auf der Finca.
Ob sie mir ihre Telefonnummer geben würde, fragte ich. »Ich bin nicht so eine«, sagte sie.
»Aber es wird unser Leben verändern.«
Wieder dieses leicht kokette Lächeln, als hätte sie mich bei einem Streich erwischt. Und irgendwie war das ja auch nicht so falsch. Ein Handstreich, mit dem unser Leben eine neue Richtung einschlug. Nur sie konnte das
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