Tod to go (Crime Shorties)
diesem Gelände und gehe die Kisten durch. Wohin mein Blick auch fällt, überall Türme mit leeren Bierkisten. Und manchmal torkeln ein paar Ratten von den Bierresten betrunkene Ratten über das Gelände.
Irgendwo muss die Flasche mit ihrer Handynummer sein. Und damit mein neues Leben an Ihrer Seite. In einer verfluchten, unscheinbaren Kiste. Eine Botschaft allein für mich. Ich muss sie nur finden. Und die Sterne haben es mir versprochen. Manchmal denke ich daran, Haiti-Kalle hierher zu entführen. Vielleicht würden seine seherischen Fähigkeiten alles beschleunigen. Doch dann sehe ich, wie seine Spucke auf die Asche tropft, und lasse es lieber.
Ich flehe Sie an!
Ich liebe sie alle, Herr Richter. Wirklich. Für mich sind alle Frauen schön. Ob blond oder rothaarig, mit großen Nasen oder Haaren an den Beinen, ich liebe sie. Alle. Vielleicht bin ich deshalb …, ich weiß, das ist keine Entschuldigung, aber trotzdem.
Ja, Herr Richter, ich komme zum Punkt. Weil jetzt doch Weihnachten ist, habe ich gedacht … also, es hat etwas mit der Weihnachtsstimmung zu tun. Sie ist über mich gekommen.
Ja, Herr Richter, zur Sache. Aber Sie müssen doch wissen … also Weihnachten hat mir Mut gemacht. Die vielen Engel, die Jesuskrippe, der heilige Stall in Bethlehem … ja, ich habe endlich Mut gefasst.
Frauen, Herr Richter, Frauen sind für mich die Kerzen des Lebens. Schon als Kind mochte ich Kerzen. Sie funkeln, sie riechen gut und das Wachs ist warm in der Hand und es lässt sich zu Kügelchen formen.
Zusammen mit meiner Mutter hab ich immer die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet. Das ist ganz tief in mir drin. Ihr großer Busen, der sich durch das Geäst drückt, das Greifen nach den Lichtern …
Kerzen können einen Menschen glücklich machen. Oder auch nicht. Kerzen sind wie die Frauen … Ja, Herr Richter, ich bin berechnend. Ja, ich weiß, dass Frauen Gefühle haben … ja, Herr Richter, Sie haben recht, ich habe diese Gefühle mit Füssen getreten, mich an ihren Gefühlen vergangen. Ich bin ein Krimineller. Zweifellos, das unterschreibe ich sofort. Aber mit den Frauen … also damit hat eigentlich meine Mutter angefangen.
Nein, Herr Richter, das ist gar nicht lächerlich. Manchmal höre ich noch ihre Stimme. Richtig angefeuert hat sie mich.
»Jede kannst du kriegen, so wie du aussiehst.«
Und: »In Geld werden sie dich baden, wenn du nur willst.«
Das hat sie gesagt. Wortwörtlich. Und dabei die Lippen über die Zähne geschoben und mit den Augen geplinkert. So als hätte ich gerade eben mit einer Frau was Schlimmes angestellt.
Und sie hat mir Bilder von schönen und reichen Frauen aus Illustrierten ausgeschnitten. Ich musste sie an die Wand heften. Neben den Bravo-Starschnitt von Winnetou.
Jeden Abend musste ich es mir genau ansehen.
»An der Spitze ist immer Platz«, hat meine Mutter gesagt. Herr Richter, das war so eine Art Hypnose. Dafür bin ich gar nicht verantwortlich. Das ist strafmildernd zu berücksichtigen.
Dabei haben mir die Frauen das Geld richtig aufgedrängt, Herr Richter. Erwin hier und Erwin da. Erwin braucht einen neuen Anzug und Erwin braucht ein neues Auto und eine Uhr und ... naja, da hab ich nicht Nein gesagt. Und irgendwann kam auch der erste Diamant. Fürs Ohr. Muss man da »Nein« sagen, Herr Richter?
Und schließlich hatten die Frauen ja auch etwas davon. Hat ja schon Moses in der Bibel gesagt, dass es gar nicht so gut ist, wenn der Mensch sein Leben alleine verbringt. Ja, ich habe sie glücklich gemacht. Zumindest eine bestimmte Zeit. Glück dauert eben nicht ewig. Ja, sie waren glücklich. Fragen sie mal.
Und so eine richtige Ehe kann viel zerstören, glauben Sie mir. Ich weiß, wovon ich rede. Die Ehe ist eine Art Romanze, bei der der Held im ersten Akt stirbt, ein … Herr Richter? Nein … ich will hier keinen Mord gestehen. Es ist nur so, ich habe die Frauen immer verstanden, immer zugehört. Das haben sie bei mir gesucht. Ich bin eine Art Medizin. Bis ich Inge getroffen habe.
Himmel, was für eine Frau! Groß gewachsen, mit Beinen wie eine, eine … ja, wie die Dietrich. Und genauso verschlossen und vorsichtig. Vom Leben geschlagen.
»Entblättert«, hätte ich sie. Hat sie gesagt, Herr Richter, das schwöre ich. Und irgendwie wollte ich sie aufbauen, ihr imponieren. Ich sage also: »Ich komme aus Deutsch-Südwestafrika.«
So als Weißer unter Schwarzen und das ich eigentlich gar keine Aufenthaltsgenehmigung hätte. Und dann hab ich von meinem
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