Tod to go (Crime Shorties)
damit, mich abschieben zu lassen. Aber man kann doch niemanden nach Lüdenscheid abschieben. Oder?
Herr Richter, sehen Sie meine Augen an. Das schlechte Licht bei der Arbeit … ich habe einen krummen Rücken und talgige Haut. Ich komme so gar nicht mehr an die frische Luft. Herr Richter, ich kann nicht mehr. »Ein bisschen Heimarbeit«, hat Renate gesagt. Die reinste Sklavenarbeit ist das, Herr Richter, das müsste verboten werden. Da sollten Sie sich von Amts wegen ...
Wie … Was sie da tun können, Herr Richter? Also, ich bräuchte eine Art Bestätigung, Herr Richter. Dass ich eigentlich ein Heiratsschwindler bin und so.
Herr Richter, ich muss da weg. Immer habe ich davon geträumt, meinen Lebensabend auf einer karibischen Insel … braun gebrannte Mädchen, Sportboot und abends in den Jachtklub. Und was mache ich? Jeden Tag, den Gott werden lässt, sitze ich im Schummerlicht in der Küche und bastele Weihnachtssterne aus Stroh. Für Renates Ebay-Shop.
Herr Richter, das ist menschenverachtend. Nein, Herr Richter, ich schäme mich nicht für meine Tränen. Ich kann nicht mehr. Ich sitze da und ... ja, manchmal fahre ich in Gedanken einfach zum Flughafen, gehe direkt zum Last Minute-Schalter und sage: »Barbados. Eine Person. Abflug sofort.« Und schreibe noch schnell eine Postkarte und … ja, Herr Richter, ich komme zur Sache.
Ich erzähle das mit dem Flughafen doch wegen der Fluchtgefahr, die bei mir besteht … Also, ich wollte fragen, ob sie mich vielleicht verhaften oder zumindest festnehmen könnten. Weil ich doch als Heiratsschwindler … Wie? Glauben Sie mir, diese Ehe ist wirklich null und nichtig. Ich bin wirklich ein Heirats … ja, Herr Richter, ich verstehe ... Sie brauchen Zeit ... aber könnten Sie mich nicht trotzdem verhaften … wegen Fluchtgefahr? Zumindest so, dass ich mich einmal in der Woche auf dem Revier melden muss? Dann komme ich wenigstens 'mal an die frische Luft.
Herr Richter, bitte haben Sie ein Herz, Sie müssen mir helfen. Sonst komme ich da nie mehr raus.
Wie? Was meine Frau dazu sagt? Himmel, die bereitet die silberne Hochzeit vor. Nächste Woche. Herr Richter, Sie müssen mir helfen. Ich flehe Sie an.
Die Gaststätte zu den wirklich guten Aussichten
Es ist das hoffnungsvollste Restaurant der Welt, und es hat nur am Donnerstag und Sonntag geöffnet. Die Besucher essen »Falscher Hase« und »Seelachs Müllerin« und sie trinken Unmengen Kaffee. Aber eigentlich kommt niemand wegen »Seelachs Müllerin« oder Kaffee. Sie kommen auch nicht wegen des Streuselkuchens, der kalten Frikadelle oder den ausgelegten Zeitungen, nein, die Menschen kommen in diese Gaststätte, um durch eine Glasscheibe zu starren.
Ob leise der Schnee rieselt oder die Sonne scheint: Jeden Donnerstag und jeden Sonntag ziehen jenseits der Scheibe die Trabrennpferde ihre Sulkys an den Menschen vorbei. Die Gaststätte heißt deshalb »Trabertreff«.
Hier spielen sich Schicksale ab. Es geht ja um nichts Geringeres als Geld. Gut, irgendwie geht es meistens um Geld, aber hier kannst du’s gleich abholen.
Neben der warmen Theke mit dem »Krustenbraten auf Brötchen« und »Königsberger Klopsen mit Kapern« steht die Wettkasse. Du musst auf deinem Wettschein nur die richtigen Striche machen und schon werden dir die Scheine über den Tresen geschoben. Wie an einem Bankschalter. Nur, dass du hier dein Konto nicht überziehst.
Hier herrscht die große Aufregung. Kein Wunder, dass die Leute sich in diesem Restaurant in die Haare kriegen.
Hier kostet es übrigens extra Eintritt. Die wirklich geizigen Zocker sitzen ein Stockwerk höher. Da gibt es zwar auch eine Scheibe aber keinen Kaffee und natürlich auch kein Tagesgericht. Und der Rest der Zockergemeinde schreit sich im Erdgeschoß die Tipps um die Ohren und quatscht sich dämlich über die verpassten Chancen.
Siehst du den Typ da unten rechts? Den mit der zerfurchten Stirn und den traurigen Augen? Nein, nicht neben dem Totalisator, ich meine da unten direkt an der Scheibe, der die Vase mit den Kunsttulpen dreht, der ... ja, der. Hebt mit zittrigen Händen die Tasse Kaffee und zieht die Plörre rein … die Bratkartoffeln mit Matjes hat er beiseitegeschoben. Magenprobleme. Ein Verlierer mit Magenproblemen. Wartet auf das achte Rennen.
Kleinere Beträge setzt er jetzt schon, aber eigentlich wartet er auf das achte Rennen. Im achten Rennen will er groß rauskommen. Dann startet Run-Run. Dieses Pferd gewinnt auf dieser Bahn immer. Aber einmal eben
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