Tod to go (Crime Shorties)
zwinkert dabei seiner Freundin zu. Sie sitzt im Auto und nickt. Dreht eine braune Locke um ihren Finger. Leon lacht. Wie ein Sieger, dabei hat er noch nicht einmal den Platz betreten. Ich sage: »Vorsicht mit dem Zweiten Chef. Der handelt mit Teppichen und wer mit Teppichen handelt, der ist mit allen Wassern gewaschen.
Leon winkt ab.
»Ich habe die Beweise«, sagt er, »Du verstehst das nicht, es steht schon eins zu null für mich.«
Er steigt ins Auto und umarmt seine Freundin. Sie sieht zu mir her, aber obwohl es Tag ist, kann ich ihr Gesicht nicht erkennen. All die Schminke und darüber noch die Sonnenbrille.
Weißt Du Maxima, manchmal wünschte ich mir direkt, Ernst-August wäre hier. Aber würde der gegen den Zweiten Chef antreten?
*
Maxima, seit Tagen grüble ich über Leons Dokumenten.
Es sind Zollpapiere für Teppiche und Adressen von Zwischenhändlern. Dazu eine Bestellung für Spiritusfässer. Hunderte von Litern Spiritus und dazu andere Chemikalien. Wieso stirbt ein Mensch wegen Spiritus und Adressen und Zollpapieren? Auch die Adressen sind unverdächtig. Stehen alle im Telefonbuch.
Ich beobachte den Zweiten Chef. Alles ist normal.
Wir schieben die Paletten aus den Lastwagen und ziehen sie an Seilzügen hinauf zu den Luken, packen die Teppiche aus, legen sie übereinander. Werden reisefertig gemacht. Bekommen neue Papiere und Etiketten, dann geht es nach Paris und Lausanne, nach Antwerpen oder Rom. In feine Salons oder dunkle Zimmer, in Landhäuser Reihenhaussiedlungen oder Stadtwohnungen. Auch Teppiche haben ein Schicksal.
Manchmal kommen Touristen und schlendern durch unsere Lagerhalle. Vorbei an den Paletten mit Teppichen und gewebten Bildern, chinesischen Vasen und Porzellan »Made in Hongkong«.
Der Zweite Chef redet mit ihnen und sie handeln; schließlich nickt er mit einem traurigen Gesicht, als hätte er soeben seine Großmutter verkauft. Wenn die Käufer die Bestellung unterschrieben haben und gegangen sind, stoßen wir mit Teegläsern an.
Nein, Maxima, als Teppichhändler tauge ich nichts. Das ist eine Berufung. Abends steigt der Zweite Chef in seinen BMW und fährt davon. Ich bleibe lieber bei den Teppichen.
Was soll ich tun? Ich frage den Buddha von Bamyian um Rat. In Afghanistan haben die Taliban ihn gesprengt. Jetzt steht er hier im Afghanischen Museum. Nicht 52 Meter hoch, aber in all seiner Ruhe und mitten in seinem Felsen, aus dem er entstanden ist. Abends, wenn die Touristen nicht mehr kommen, setze ich mich zu seinen Füßen auf eine Teekiste. Manchmal weht etwas heran und ich weiß plötzlich, was ich machen muss.
Drei Tage schon habe ich mich vor seinen Füßen niedergelassen, aber der Buddha schweigt. Und auch die Tausend anderen Buddhas und Bodhisattwas, die ihn umgeben.
Später kommt meistens Mohammed vorbei. Wir trinken Tee an seinem Tisch, knabbern Rosinen und Nüsse, während wir den wächsernen Teppichknüpfern zuschauen, die sich in ihren Vitrinen über die Webstühle beugen. Gleich daneben ist das kleine Teehaus aufgebaut. Alte Männer mit Wollhaaren und Glasaugen rauchen die Wasserpfeifen und spielen Schach. Weiter hinten arbeitet der Bäcker.
»Das Brot, der Bäcker, die Pfeife«, sage ich zu Mohammed.
»Das Brot? Das Unsinn!«, sagt Mohammed.
»Wieso?«
»Brot nicht neutral, Brot ist Seele, darum das Brot Unsinn.«
»Das Deutsch«, sage ich und lese ihm die nächsten Sätze aus seinem Übungsbuch »Deutsch für Ausländer« vor.
»Das Brot schmeckt gut.«
Mohammed lächelt mir listig zu.
»Die Brot schmeckt gutt.«
Womöglich war es gar nicht der Zweite Chef? Am Ende steckt hinter dem Mord an Leon etwas ganz anderes? Auch die Polizei weiß nichts. Einen ganzen Tag lang haben sie das Toilettenhäuschen untersucht.
Sie spannen ein rot-weißes Band um das Gebäude; einige Beamte schreiben in kleine Notizbücher. Andere Männer in weißen Overalls, mit Handschuhen und schwarzen Köfferchen gehen hinein, irgendwann kommt der Leichenwagen.
Ich pflanze Leon eine Rose vor das Toilettenhäuschen und zünde ein Teelicht an. Seine Seele muss zur Ruhe kommen, sich verabschieden können. Mein Freund soll nicht als Geist über die Brücken und Fleete wehen und an die Schiffe klopfen.
Maxima, das Leben hier im Hafen ist anders. Arbeiter ziehen Teppiche und Säcke an ihren Winden hinauf, nebenan arbeiten junge Männer in Anzügen. »Computersoftware«, steht auf den Firmenschildern oder »Medienagentur« und immer seltener »Im- und Export /
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