Tod to go (Crime Shorties)
Jahren freigespült haben. Aber weil Isas Vater damit nichts anzufangen wusste, schickte er das Mädchen mit dem Kreuz zum Kirchenvorstand Quedjens. Der hatte den Wert des Kreuzes sofort erkannt und ihr das Versprechen abgenommen, niemandem von ihrem Fund zu erzählen.
»Er hat ihr gesagt, das sei Gottes Wille und ein Geheimnis, und wenn sie das verraten würde, dann müsste sie in die Hölle. Isa ist nicht zurückgeblieben, sie ist manchmal etwas ängstlich, lebt in ihrer eigenen Welt. Sie ist ... sie hat ihm geglaubt.«
»Sicher?«, fragte ich.
»Sie ist auf ihre Weise rein, nicht verdorben, sie glaubt, dass alle ihr nur Gutes wollen und …«
Isas Mutter wurde erneut von einem Weinkrampf geschüttelt.
Sie presste ein blaues Geschirrhandtuch vor Gesicht.
Mit dem Kreuz hätte alles angefangen. Das Mädchen habe den Kirchenvorstand immer öfter besucht und irgendwann sei es passiert.
»>Vorbereitung für Konfirmandenunterricht<, nannte er das. Sie wurde schwanger. Mit vierzehn!«
Gemeinsam hätten sie und ihr Mann beschlossen, das Mädchen in ein Heim auf dem Festland zu geben.
»Sie wissen nicht, wie das ist, hier auf der Insel. All das Gerede und Getuschel. Ein Spießrutenlaufen ist das. Das Mädchen wäre ja auf Sylt nicht mehr froh geworden.«
»Und das Baby?«
Die Augen von Heikedine Paulsen blickten starr auf ihre Finger.
»Eine Totgeburt, niemand hat davon etwas mitbekommen. Ein Mädchen. Wir haben die Kleine begraben.«
»Und das Kreuz?«
»Auf einer großen Auktion versteigert. Hängt heute in irgendeinem Museum. Wir haben einen Teil von dem Geld ...«
»Aber, was ist mit Isa?«
»Quedjens hat gezahlt. Schließlich hatte er das Kreuz und das ganze Geld. Sollten wir denn so gar nichts haben ... außer einer geschwängerten Tochter?«
»Also hat ihr Mann Quedjens erpresst?«
»Wir haben gesagt, das Geld ist fürs Heim und er wollte ja unbedingt, dass sie von der Insel verschwindet.«
»Damit ja nichts rauskommt.«
Heikedine Paulsen knetete das Geschirrhandtuch.
»Aber sie hat ... sie hat geweint und sich versteckt. Sie wollte auf keinen Fall hier weg und dann haben wir …«
Sie machte eine Pause und sagte dann: »Sie wäre da nicht zurechtgekommen.«
»Und wo …«
Sie nickte in Richtung des Fußbodens.
»In den … den Keller?«
»Das ist doch besser als ein Heim. Nicht? Damals war doch eine ganz andere Zeit. Das war doch besser, oder? Bestimmt war das besser.«
Die Frau sah mich mit verquollenen Augen an.
»Nicht?«, fragte sie noch einmal. Sie nickte bekräftigend, bevor sie wieder in Schluchzen ausbrach.
Ich wusste, dass ich jetzt nicht weiter fragen durfte, wie Isa gestorben war.
Heikedine Paulsens Blick glitt durch die Gardinen in den grauen Himmel, der sich über der Nordsee auftürmte. Der eisige Wind würde stärker und schon bald würde der Regen einsetzen.
*
Quedjens blickte anfeuernd auf seinen Hund. Doch der begriff nicht, dass er jetzt als Schutzhund gebraucht wurde und einen Penner vertreiben sollte. Ich berichtete Quedjens, was ich von Isas Mutter erfahren hatte.
»Papperlapapp. Eine Verkettung unglücklicher Umstände. Sie haben doch keine Ahnung.«
»So kann man das Schwängern einer Minderjährigen auch nennen.«
»Da ist ja noch nicht mal sicher, ob ich überhaupt der Vater bin. Die Kleine ist doch mit jedem mitgegangen.«
Eigentlich trinke ich ja keinen Schnaps, aber in diesem Augenblick hätte ich doch einen Schluck vertragen.
»Die anderen Herren haben sich also auch mit der Kleinen vergnügt?«
»Das war ganz anders. Sie wollte das und außerdem ...«
»Was außerdem?«
»Ob Sie es mir nun glauben oder nicht, ich habe mich in das Mädchen verliebt.«
»Wie rührend. So sehr, dass sie aufs Festland abgeschoben werden sollte?«
»Mein Gott, meine Familie! Was hätte ich denn tun sollen? Das ist eben passiert.«
»Sie wird reden«, sagte ich.
»Wer wird …?«
»Isas Mutter. Warum haben sie Ihren Mann erschlagen?«
Sein Gesicht lief puterrot an. Schweiß perlte über seine Stirn. Der Bart zitterte.
»Da gibt es keinen Beweis. Nichts, hören Sie? Ich hab ihn nur zur Rede gestellt, nur zur Rede gestellt. Und dann hat er mich angegriffen. Ich musste mich wehren.«
Seine Stimme wurde schneidend.
»Ich habe bezahlt. Fünfzehn Jahre habe ich für das Mädchen bezahlt. Und nun kommt raus, dass sie schon lange tot ist.«
Hund Lucy an seinen Beinen zuckte zusammen, winselte kurz und schnupperte in Richtung des Vorgartens. Dann stürmte er
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