Tod und Leidenschaft (German Edition)
anging. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er sie schützen sollte.
Und wenn sie wütend auf ihn war, wovon er im Moment mehr denn je ausging, würde sie mit Sicherheit noch weniger auf ihn hören, als sie eh tat.
Ende Oktober … Er sah hinüber zu dem einen Baum, dessen Äste er sehen konnte. Das Laub hatte sich verfärbt und würde bald fallen.
Der Ripper hatte eine zu lange Pause eingelegt. Irgendetwas stimmte da nicht, doch er wusste nicht, was es war.
„Da bist du ja!“ Seine Stimme klang genauso erfreut, wie er sich fühlte, wenn auch dieses bange Gefühl nicht nachlassen wollte.
Sie sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, den wohl ein römischer Imperator einem Feind gezeigt haben mochte, der sich ihm gerade unterwerfen wollte.
Elizabeth verblüffte ihn immer wieder. Welche Stärke in dieser kleinen Person steckte. Aber in ihren Augen sah man die Kraft, die sie ihr Eigen nannte.
Er liebte dieses Feuer in ihnen. Diesen Aufruhr, den sie in ihm auslöste. Dieses Gefühl, die Welt aus den Angeln heben zu können, wenn sie nur dabei an seiner Seite war.
„Wollen wir dort hinein gehen?“ Er deutete mit geröteter Hand in Richtung einer kleinen Teestube, die zwischen zwei Läden eingeklemmt auf der anderen Straßenseite lag.
Ohne Elizabeth Antwort abzuwarten, griff er ihren Ellenbogen und zog sie mit sich, ohne dabei auch nur ein Auge vom Verkehr zu lassen, der wie immer gefährlich dicht war.
Die Teestube war nur halb besetzt und so fanden sie schnell einen Platz direkt am Fenster, wobei Harris jetzt nur noch seine junge Begleiterin ansehen konnte.
„Wie geht es dir?“
„Gut. Danke.“
„Und die Erkältung?“
„Es geht. Danke.“
Leicht verunsichert spürte Harris, wie der Redestrom zu verebben drohte und winkte deswegen schnell der Bedienung.
„Ja … wir sind einen guten Schritt weiter bei unserer Suche …“, sagte er gedehnt, als der Grog vor ihm stand und er den Kandis einrührte. Elizabeth fixierte ihr Glas und rührte ebenfalls. Nur einmal hob sie kurz den Kopf.
Sie nickte Mr. Lewinsky zu, der am Fenster vorbeilief und den Hut vor ihnen zog. Harris erwiderte den Gruß.
„Wie merkwürdig, ihn außerhalb des Ladens zu sehen …“, sagte Harris versonnen. „Irgendwie kann man ihn sich nirgends anders vorstellen, als in seinem Atelier …“
„Gewiss“, sagte Elizabeth und ließ ihn etwas ratlos zurück. Irgendetwas stimmte mit ihr ganz und gar nicht.
„ Jaaa … also unsere Suche … wir sind jetzt sicher, dass es eine russische Verschwörergruppe ist, die den Ripper instrumentalisiert hat, um ihrem Kopf die Ausreise zu ermöglichen.“
„Soweit wart ihr schon mal …“ Ihr Ton war zweifellos gereizt.
„Wir kennen sogar den Mann, um den es geht!“
Damit übertrieb er natürlich, aber etwas in ihm sehnte sich nach ihrem Lob.
„Und habt ihn festgenommen.“
„Nein. Leider noch nicht. Es ist ein hochrangiger russischer Adliger. An die kommt man nicht so leicht ran. Außerdem hoffen wir ja, durch ihn an den Ripper zu kommen …“
„Und wie seid ihr auf ihn gekommen?“
Ihre Stimme klang so gleichgültig. Doch dahinter lauerte etwas. Er spürte es und da er noch in dieser Überlegung gefangen war, fiel ihm nicht auf, dass er gerade in eine Falle getappt war.
„Wie meinst du?“
„Ich frage, wie ihr auf ihn gekommen seid …“
Hätte ihm in diesem Moment jemand einen Eimer kalten Wassers über den Kopf geschüttet, er hätte nicht schockierter sein können.
Unwillkürlich atmete er schneller. Seine Stirn prickelte und seine Gedanken rauschten fieberhaft durch seinen Kopf auf der Suche nach einer Möglichkeit, Adelaide unerwähnt zu lassen.
„Nun?“, hakte sie nach und die Spitze ihres rechten Zeigefingers begann, neben dem Glas auf die Tischplatte zu klopfen.
„Ja … durch … also durch Befragungen. Das Schankmädchen im Sozialisten- Club. Du musst auch mit ihr gesprochen haben.“
„Das habe ich.“ Elizabeth Stimme war messerscharf. „Aber sie hat mit keinem Wort einen Adligen erwähnt. Und ich kann mir – ehrlich gesagt – nicht vorstellen, dass sie eine solche Information einem Polizisten gibt, wenn sie sie mir verschweigt.“
Harris sagte nichts mehr. Das Eis knirschte unter seinen Füßen und konnte jeden Moment brechen.
Die Luft schien dicker zu werden und sich nur noch langsam in seine Lunge zu schieben.
„Aber es wird heutzutage so viel verschwiegen. Nicht wahr?“
Jetzt verfingen sich ihre Blicke wie Widerhaken in seinem
Weitere Kostenlose Bücher