Tod und Leidenschaft (German Edition)
verstehe nicht ganz …“ Seine steife Haltung brachte sein ganzes Unwohlsein im Angesicht seiner künftigen Schwiegermutter zum Ausdruck.
„Nun ja …“ Sie strich mit zierlichen Griffen den üppig mit Borten und Rüschen verzierten Rock ihres Empfangskleids glatt. „Die Hochzeit. Wir sind alle davon ausgegangen, dass sie sich heute angekündigt haben, um den großen Tag endlich festzulegen.“
„Ja, das ist gewiss verständlich … Allerdings bin ich derzeit in einen Fall involviert, oder besser gesagt in zwei Fälle …“
Ihre Augenbraue wanderte missbilligend nach oben. Konnte es irgendetwas geben, dass wichtiger war, als die Hochzeit mit ihrer Tochter?
Seit der zweite Mord bekannt geworden war, hatte er nicht mehr geschlafen. Permanent machte er sich Sorgen um Elizabeth Montgomery. Er hatte sich sogar schon zu der Überlegung verstiegen, sie zu suchen und ihr anzubieten, zu seinem Bruder auf den Landsitz zu ziehen. Dort gab es einige kleine Häuschen, die als Rückzugsort geeignet waren. Zumindest, bis der Mörder dingfest gemacht war.
Natürlich war dies ein Ding der Unmöglichkeit.
„Ich schlage einen Termin, sagen wir …“ Adas Mutter legte den Zeigefinger an ihr Kinn und tat so, als ginge die den kompletten Kalender im Geiste durch.
„ … den 15. Oktober?“
„Wieso ausgerechnet den?“
Sie hatte offensichtlich direkte Zustimmung erwartet und war nun nicht gerade begeistert, dass stattdessen eine Nachfrage kam.
„Nun ja … Er schien mir passend. An diesem Tag gibt es keine anderen großen gesellschaftlichen Ereignisse und sie könnten dann bei Hof präsentiert werden, noch bevor Ihre Majestät nach Sandringham reist.“
Die Schlinge zog sich um seinen Hals zu. Er fühlte sich wie Charles der Zweite und fragte sich, ob er auch um ein zweites Hemd bitten solle.
„Ähm … Es ist … also … hmmm … sehen sie … dieser Fall …“
Adas Mutter machte eine abwehrende Handbewegung und setzte sich noch gerader hin. Ihre recht spitze Nase in dem aristokratischen Gesicht hätte sicherlich sogar Königin Victoria beeindruckt.
„Mein lieber John! Ich halte es der Dauer ihrer Verlobungszeit nach nun endgültig für geboten, einen Hochzeitstermin bekannt zu geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer Familie wie der ihren daran gelegen sein kann, dieses für alle doch so beglückende Ereignis wegen einer Folie beständig zu verschieben. Und ich muss dabei auch erwähnen – sie vergeben mir, denn sie wissen, dass sie nichts als eine ebenso liebende wie besorgte Mutter vor sich haben – dass allgemein in der Gesellschaft eine überlange Verlobungszeit auf die Braut zurückzufallen pflegt. Man geht in der Gesellschaft dann davon aus, dass der Bräutigam sich seiner Wahl nicht sicher sein mag und schreibt dies stets der Braut und ihrer Familie zu. Insofern muss ich sie dringend bitten …“
Die Tür ging auf und Adelaide trat ein.
Ihr Kleid war sehr dicht an einer Provokation. Gefertigt aus cremefarbenem Atlas mit winzigen, kaum zu erkennenden hellgelben Blütenköpfen. Die Schleppe so lang, dass sie durchaus einer Kirche angemessen gewesen wäre und auf dem Kopf eine bis zu den Schultern reichende Haube aus Tüll und Spitzen.
Hätte sie nun noch einen Blumenstrauß gehalten, und hätte Harris es nicht besser gewusst, er wäre davon ausgegangen, dass sie nur noch auf die Kutsche wartete, die sie zur Trauung fahren würde.
Sein Kopf begann zu glühen. Er hatte sich erhoben, doch seine Beine drohten, unter ihm nachzugeben.
„Adelaide … du siehst … bezaubernd aus.“ Es war ihm nur zu bewusst, dass er weniger begeistert, als vielmehr konsterniert klang.
Vorsichtig küsste er sie auf die Wange, sorgsam darauf bedacht, das Kleid nicht zu berühren.
Seine Braut rauschte bis zu einer Couch, wo sie sich entschlossen niederließ. Die schleppe sorgsam neben ihren Füßen arrangierend sah sie ihn gefasst und voller Erwartung an.
Harris saß in der Falle.
„Liebes … wir haben soeben den Termin für die Hochzeit besprochen. Ich habe den 15. Oktober vorgeschlagen und John war nicht dagegen.“
So konnte man es auch formulieren.
„Ich habe allerdings zu bedenken gegeben …“, hob er schnell an, als er Adas Leuchten im Gesicht sah. „…dass ich derzeit die Whitechapelmorde bearbeite und deswegen nicht sagen kann …“
„Aber, mein lieber John … Wir haben alles Vertrauen in Scotland Yard, dass der fürchterliche Mensch in Bälde ergriffen werden wird. Insofern denke ich,
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