Tod und Leidenschaft (German Edition)
ist Oktober ein wundervoller Monat. Ich dachte natürlich zunächst an die Abbey als geeignetem Ort für die Trauung. Dann kam mir aber in den Sinn, dass es sicherlich im Sinne ihrer Familie sei, die Feier in der Kirche abzuhalten, die zu ihrem Landsitz in Derbyshire gehört.“
War das Datum bereits abgehakt?
Er begriff sich selbst nicht, aber die Vorstellung … Jeder seiner Freunde hätte jetzt gelacht und ihm gesagt, das sei nichts als die Angst vor dem Ende des süßen Junggesellenlebens. Aber Harris glaubte das nicht.
Mit jedem Tag wurden seine Zweifel, sein Unbehagen stärker.
Wie viel Zeit brachte er mit dem Abwägen von Argumenten für und gegen die Eheschließung zu. Wie oft redete er sich selbst ein, dass es zwingend sei. Ada war eine mehr als nur attraktive junge Frau. Er liebte sie aufrichtig. Aber etwas schien ihm zu fehlen.
Er war zu sehr Mann, so wollte es ihm scheinen, als dass er den Finger auf die Wunde hätte legen können. Aber dennoch war sie da. Sie brannte. Schwärte. Und die Unruhe ließ ihn nicht mehr los, dass er sie finden musste, bevor etwas nicht wieder gut zu Machendes geschah.
„Das ist am besten mit meinem Bruder zu klären. Es kommt doch sicher auch auf die Anzahl der Gäste an …“
Er wollte weg. Da saß die entzückende Ada in ihrem weißen Kleid und er wollte weg.
„Mutter … lass mich einen Vorschlag machen. Wir halten für uns den 15. Oktober fest. Geben ihn aber noch nicht offiziell bekannt. Ich sehe Johns Gründe durchaus ein. Er ist Polizist mit Leib und Seele und ich will ihm eine gute Ehefrau sein. Deswegen beuge ich mich, gemeinsam mit ihm, seiner Pflicht.“
Sie lächelte in die Runde.
„Mein lieber John … ich spreche doch da auch ganz in deinem Sinne, nicht wahr?“
„Ähm, ja. Sicher.“ Wieso hatte sie diese Kehre gemacht? War ihm etwas entgangen?
Er forschte in ihrem Gesicht und verstand es nicht.
„John – würdest du mich auf ein paar Schritte in den Garten begleiten? Das Wetter ist gerade so wundervoll …“
Er erhob sich und folgte ihr, nachdem er sich vor ihrer Mutter verbeugt hatte, durch eine fast deckenhohe Flügeltüre ins Freie.
„Der Ball war wundervoll. Ich habe so viel getanzt, es war beinahe unschicklich.“ Sie lachte so gelöst, wie er sie seit langem nicht mehr erlebt hatte.
Was geht hier vor sich ?, schoss es ihm durch den Kopf. Das war wieder die Ada, in die er sich damals verliebt hatte. Ihr Gesicht strahlte und sie beugte sich über blühende Rosen, um an ihnen zu schnuppern. Dabei plauderte sie und erzählte kleine Anekdoten, gespickt mit den Beschreibungen der Roben und Juwelen.
Irgendetwas hatte sich eben in dem Salon ereignet. Etwas war geschehen und er hatte keine Ahnung, was es war.
Sie achtete nicht auf ihre Schleppe, die durch das feuchte Grad schleifte, sondern hob sie nur ab und zu an, wenn sie eine Hecke umrundete, oder einen Baum.
„Ach, John. Es war wundervoll. Ich bin noch ganz bezaubert.“
Ein gewisses Gefühl der Eifersucht stieg in ihm auf.
„Mit wem hast du denn so viel getanzt?“
„Ooooh … mit einem aufregenden Russen. Groß und stattlich. Eine Großneffe des Zaren, wenn ich es richtig verstanden habe.“
„Ah ja.“ Er jagte Mörder im Eastend und sie tanzte mit einem russischen Fürsten …
„Er hat mir ganz unglaubliche Dinge von seiner Heimat erzählt. Und tanzen konnte er – wie ein junger Gott.“
Harris Miene verdüsterte sich.
„Ah ja. Dann solltest du ihn vielleicht wiedertreffen …“
„Ach, John … jetzt bist du mir böse.“
Er stritt sofort und vehement ab.
„Ich liebe doch nur dich und das weißt du auch!“
„Aber natürlich. Ich gönne dir doch das kleine Vergnügen.“
Er war der Situation nicht gewachsen.
„Beim nächsten Ball tanze ich nur mit dir. Versprochen!“ Sie legte zur Demonstration ihre rechte Hand auf ihr Herz.
„Und was macht dein Mörder?“
„Er mordet.“ Es war Harris nicht nach Berichten aus dem Leichenschauhaus.
„Du bist doch böse.“
„Aber nein. Es ist nur … dieses ganze Elend dort Tag für Tag. Ich schlafe zu wenig.“
„Dann sollte wir bald eine Reise nach Derbyshire ins Auge fassen, mein Lieber. Damit du dich richtig erholen kannst!“
„Gewiss.“
Harris wollte auch eigentlich keine Diskussion über seinen Zustand. Es ging ihm schlecht. Er hatte die ganze Zeit Kopfschmerzen. Und wenn er an seine Stirn fasste, wurde er das Gefühl nicht los, dass er an Fieber litt.
Die Luft in Whitechapel machte einen mürbe.
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