Tod und Leidenschaft (German Edition)
einmal besorgt.
„Wieso sollte ich?“, gab sie zurück und ein kurzes Erstarren seines Blickes zeigte ihr, dass er gewarnt war.
„Ich habe mich nicht gemeldet und da dachte ich, du seist vielleicht wütend auf mich deswegen. Aber ich hatte sehr viel zu tun.“
„Gewiss doch. Dein Beruf geht vor. Vor allem in so einer Zeit.“ Sie war stolz auf sich, wie leicht es ihr fiel, ihre Wut zu zügeln, ihrer Stimme einen kühlen, distanzierten Klang zu geben.
Harris schüttelte kurz den Kopf.
„Nein, es ist unverzeihlich“, sagte er und Elizabeth stimmte ihm innerlich heftig zu.
„Aber hör zu … ich habe eine fantastische Spur. Eine Bedienung aus einem Sozialisten- Club kennt den Ripper! Stell dir vor! Sie sagte mir sogar, dass er im Eastend lebt.“
„Fabelhaft. Dann braucht ihr ja nur in jedes Haus im Eastend zu gehen und ihn raus holen.“
Seine Miene wurde starr. Die Röte schwand aus seinen Wangen.
„Elizabeth – was ist los mit dir?“
„Nichts“, erwiderte sie ruhig und mit einem Lächeln.
„Da stimmt doch irgendwas nicht. Du bist wütend. Gib es ruhig zu!“
Sie straffte sich und sagte gelassen: „Es tut mir leid, aber ich muss mich jetzt wirklich wieder um meine Kundin kümmern.“
„Können wir uns nach Feierabend sehen? Ich warte in dem Pub an der Ecke.“
Wenn auch alles in ihr in Aufruhr war, ihr Zorn mit jedem Atemzug wuchs und sie nicht übel Lust hatte, ihn ins Gesicht zu schlagen für seinen Betrug, so schaffte sie es dennoch in kühler Selbstbeherrschung, ihn anzulächeln und zu nicken.
„Ich werde dort sein!“
Elizabeth spürte, wie er sich im letzten Moment selbst zur Ordnung rief und dem Drang widerstand, zumindest ihre Wange zu küssen.
Sie atmete tief ein. Nie zuvor hatte sie solche Verschlagenheit erlebt. Und dabei eine solches Beispiel für hervorragende Schauspielkunst.
Er gab den ungeduldigen Liebhaber und sah in ihr doch nichts anderes, als einen Zeitvertreib auf dem Weg zum Altar. Das dumme kleine Ladenmädchen, das man benutzte und dann ausspie.
Aber vielleicht wollte er sie ja auch zu seiner Geliebten machen und dann beibehalten, trotz Ehefrau. Sie wusste, dass es viele junge Frauen gab, die von verheirateten Männern ausgehalten wurden. Aber ob diese den Frauen dann auch Liebe vorgaukelten, wo es nur um ihre körperliche Befriedigung ging?
Aber bei ihr hatte er sich geschnitten. Sie war kein Flittchen! Und eher hätte sie nasses Brot in der Gosse gegessen, als sich von ihm benutzen zu lassen.
Mit einer knappen Verbeugung in Richtung der Kundin und einem Lächeln für Elizabeth verließ Harris den Laden.
„Ein reizender Mann“, sagte die Frau, als Elizabeth wieder neben ihr stand.
„Unterschiedlich“, presste sie hervor und widerstand dem Drang, sich verbal Luft zu verschaffen.
„Und so imposant. Sehr beeindruckend.“
„Er ist Polizist“, sagte Elizabeth, als diene dies irgendwie der Erklärung.
„Oh! Er sucht doch nicht zufällig den Ripper?“
„Doch.“
Die Wangen der Dame begannen zu glühen.
„Dann müssen sie ihm unbedingt von ihren Vermutungen berichten.“
„Gewiss.“ Elizabeth blickte kurz in den Spiegel.
„Also ich finde die Haube steht ihnen ausgezeichnet.“
„Und sie wirkt auch nicht zu jugendlich?“, zweifelte die Kundin.
„Aber nein. Sie können so etwas tragen!“, verkündete Elizabeth ganz perfekte Verkäuferin.
„Wenn sie das sagen … Dann nehme ich sie. Wenn wir den Preis in Pfund machen …“
Elizabeth rechnete einen Moment und nickte dann, als müsse sie sich ein wenig überwinden. Zufrieden bezahlte die Kundin.
„Ja, sie ist schon sehr … schön.“ Ein letzter Blick in den Spiegel und die Frau erhob sich.
„Dann wollen wir mal hoffen, dass der Herr Polizist erfolgreich ist und sich ihrer als wert erweist!“
Das kommentierte Elizabeth nicht, sondern hielt der Kundin lediglich die Tür auf.
Die Stunden bis zu ihrem Feierabend zogen sich dahin wie kalter Brei und schienen gleichzeitig zu fliegen.
Sie war vollkommen verunsichert, was sie tun sollte. Etwas in ihr drängte sie, auf dem schnellsten Weg in den Pub zu eilen, wohingegen etwas anderes sie überlegen ließ, den Hinterausgang zu nehmen und auf Umwegen direkt nach Hause zu gehen.
Elizabeth wollte ihm die Meinung sagen. Ihm kräftig vor den Kopf stoßen und ihn dann vernichtet bei seinem Bier sitzen lassen.
Doch war es nicht wesentlich effektiver, wenn sie ihn dort schmoren ließ? Sie stellte sich vor, wie er im Pub saß. Stunde um
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