Tod und Leidenschaft (German Edition)
Stunde. Immer wieder auf die Uhr sehend, wann sie wohl endlich käme.
Irgendwann würde er bezahlen. Ob er dann zu ihr käme? Vielleicht sogar, um an ihrer Tür zu randalieren?
Nein. Wenn er so war, wie sie ihn jetzt einschätzte, würde er ein wenig warten und sie dann abschreiben.
Sie war ihm nicht wichtig genug, als dass er ihr nachlaufen würde. Da täte nur ein Mann, der wirklich liebt.
Und was das anging – dessen war sie sich ebenso sicher – galt seine wahre Liebe und Zuneigung ganz selbstverständlich jener Frau im Hausflur, die er zu heiraten gedachte.
Somit war entschieden, dass sie nicht in den Pub gehen würde. Sie würde sich nicht der Peinlichkeit aussetzen, sich zum Gespött der Gäste dort zu machen.
Harris zu vergessen, war das einzig Richtige, was sie tun konnte. Ihr altes Leben wieder aufnehmen. An jenem Zeitpunkt wieder anzusetzen, bevor Harris in ihr Leben getreten war.
Es gab keine andere Alternative.
X
Ich hasse es, hier herumzusitzen und nichts zu tun.
Aber ich erhalte keine Zeichen mehr. Nichts. Es ist mir, als wandere ich in einer durchsichtigen, aber nicht minder dichten Hülle durch die Tage. Da ist nur eine ungeheure Mattigkeit in mir.
Als flössen seit der letzten Hure all meine Lebensgeister aus mir heraus.
Ob die Vorsehung mich vergessen hat?
Ob sie mich ignoriert? Habe ich mir nicht die größte Mühe gegeben? Oder bestraft man mich, weil ich die erste im Auftrag des Ordens getötet habe?
Das könnte sein und es lässt mir keine Ruhe.
Ich fordere die Vorsehung heraus. Jeden Tag. Streife durch die pestilenzerfüllten Gassen und halte Ausschau.
Aber es ist, als suche man in der Wüste nach einem blühenden Busch. Wie ich mich auch drehe und wende, kein Zeichen.
Es zermürbt mich, zu warten. Die Unsicherheit, ob man überhaupt noch einmal Zeichen senden wird.
Aber auf eigene Faust kann ich nicht töten. Es wäre gegen die Regel. Wahrscheinlich würde es mich sogar vernichten.
Beinahe sehne ich mich nach jenem inneren Drang, der sich in mir aufbaut, sobald es soweit ist. Sehne mich danach wie ein Bauer nach dem Donnergrollen, das einen heftigen Regenschauer ankündigt.
Meine Felder vertrocknen, meine Aufgabe bleibt unerfüllt.
Ich kann nur sitzen und warten.
Es macht mich wütend, aber es ist die falsche Wut.
Wann, frage ich mich immer wieder. Wann?
Wie ein Tier im Käfig laufe ich zwischen Tisch und Fenster hin und her. Schaue hinunter in die verwaiste Straße. Dann fühle ich mich, als sei ich der einzige Mensch auf Erden.
Würde ich hinausgehen, könnte ich laufen bis mich meine Kräfte verlassen und träfe auf kein lebendes Wesen. Dann wäre ich der Herr der Welt. In alle Ewigkeit.
In guten Momenten sage ich mir, dass mich die Vorsehung nur prüfen will. Sie will sehen, wie stark ich bin, wie geduldig.
Und ich nehme mir vor, die Prüfung zu bestehen.
Doch gleichzeitig spüre ich, wie ich müde werde. Erstarre wie ein See unter dem Wintereis.
Die Ringe der Hure habe ich gereinigt. Sie liegen vor mir auf dem Tisch. Manchmal, wenn die Niedergeschlagenheit zu schwer wird, streife ich sie über meinen kleinen Finger. Sie rutschen nur bis zum äußersten Fingerglied. Aber das ist egal. Ich will ja nicht mit ihnen ausgehen.
Nur spüren will ich sie. Den sanften Druck des Metalls an meiner Haut.
Die Wärme, die von dem billigen Schmuckstück ausgeht, und die ihm einen ganz besonderen Wert verleiht.
Bei der Trauung sagen die Pfaffen immer, der Ring sei das Symbol für die Ewigkeit. Für die nicht endende Verbindung zwischen zwei Menschen, aber auch für jene zwischen Gott und den Menschen an sich.
Das ist eine tiefe Wahrheit, die mich tröstet. Diese Ringe verbinden mich mit den Frauen, denen ich zur Wandlung verholfen habe und ebenso mit jener Vorsehung, die mich zum Auserwählten gemacht hat.
Die war es auch, die mir die Ringe gegeben hat. Es ist ein Versprechen. Ein Versprechen der Vorsehung an mich.
Mit sanftem Gemüt erinnere ich mich des Blutes, des Fleisches, wenn ich die Ringe überstreife. Als seien sie die Eintrittskarte für eine Laterna Magica. Eine wunderbare Erfindung. Und ich habe meine ganze eigene.
Ich bin müde und sehne mich nach neuem Blut, um meine Lebensgeister aufzufrischen. Denn die Ringe sind nicht allmächtig.
Ich musste mit der verrinnenden Zeit feststellen, dass auch ihre Zauberkraft nachließ. Jedes Mal kostet es mich jetzt mehr Konzentration, damit ich wieder in jene erfüllenden Szenen eintauchen kann, die mich am Leben
Weitere Kostenlose Bücher