Tod und Leidenschaft (German Edition)
kaum auf.
Sie stieg also auf ihren kleinen Tritt und holte sie herbei.
„Die hier ist etwas preiswerter, aber wie ich finde, fast noch ansprechender …“
„Ja, man kann sich ja wieder herausputzen, nicht wahr?“
Es war offensichtlich, dass die Kundin das Thema zu wechseln suchte.
„Was meinen sie?“
„Nun ja … jetzt wo die Morde geendet zu haben scheinen …“
Elizabeth Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Warum verfolgte sie der Ripper überall hin? Und mit dem Ripper … Harris.
Er hatte sich seit Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet und sie ging davon aus, dass er sich für die andere Frau entschieden hatte. Der Schmerz über ihre Entdeckung war nicht mehr ganz so brennend, sie musste nicht mehr beständig mit den Tränen kämpfen. Doch die Qual an sich war noch immer da, begleitete sie wie ein schwarzer Schatten durch die Stunden.
Das Gefühl von einem Menschen hintergangen worden zu sein, dem sie vertraut hatte, wie keinem anderen, war für sie unfassbar.
Wie konnte es sein, dass sie vorher nicht mal etwas geahnt hatte?
„Miss?“
Ihre Kundin riss sie aus ihren düsteren Gedanken und sie wechselte schnell die Haube.
„Ja … die Morde … nicht wahr …“, mehr konnte sie nicht sagen.
„Der Ripper hat jetzt seit Wochen nichts mehr getan. Was denken sie? Ob er genug hat?“
Elizabeth musste nicht lange überlegen.
„Nein, das glaube ich kaum. Ein Mensch, der solche Taten begeht, hört nicht einfach auf. Vielleicht ist er ja tot. Oder er wurde gefasst und die Polizei weiß es gar nicht.“
„Da könnten sie recht haben.“
Elizabeth wusste, sie hatte nicht Recht. Wenn ihre Überlegungen stimmten und Lewinsky hatte etwas mit der Sache zu tun, wenn auch nur ganz am Rande, so hätte er ihr irgendwie zu verstehen gegeben, dass es vorüber sei. Aber das hatte er nicht.
Was sie allerdings verwunderte, war die Tatsache, dass sie sich nicht fürchtete, hier bei ihm im Laden.
Es war vielmehr so, als habe das Erlebnis mit Harris sie abstumpfen lassen. Jene Sinne betäubt, die einem zu Wachsamkeit und Vorsicht rieten.
Ja, es war ihr alles gleichgültig geworden. Mit dem Verrat war ihr klar geworden, dass sie sich an nichts in diesem halten konnte. Nichts war für immer. Sie hatte Harris verloren, wie sie ihre Eltern und Geschwister verloren hatte.
Eine Frau ihrer Schicht konnte nur von Tag zu Tag leben.
„Wenn nur endlich wieder Ruhe wäre. Ich sage es ihnen ganz ehrlich, Miss. Ich kann diese Zeitungsschreier nicht mehr hören. Am Anfang habe ich ja alle gelesen, was ich finden konnte. Aber inzwischen … na ja. Und die Polizei – na, die hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.“
„Wieso?“, hakte Elizabeth fast automatisch nach.
„Na … ich bitte sie. Wie dich sich haben an der Nase herumführen lassen … Rennen von Tür zu Tür und finden nichts. Verkleiden sich, als wollten sie zum Varieté …“
Die Glocke erklang und Elizabeth wunderte sich über den Ansturm von Kunden an diesem Morgen. Doch es war keine Dame, die eine Haube kaufen wollte, sondern Harris!
Er stand etwas unentschlossen im Laden.
Die Kundin drehte sich halb zu ihm um und erwiderte seinen Gruß.
„Miss Montgomery … könnte ich sie vielleicht kurz sprechen?“
„Gehen sie nur. Ich betrachte derweil noch ein wenig mein Spiegelbild …“, lächelte die Dame und Elizabeth trat, eine Haube in Händen zu Harris.
„Ja bitte?“, sagte sie so kühl wie nur irgend möglich. Es war die Röte seiner Wangen, die plötzlich einen unglaublichen Zorn in ihr aufsteigen ließ. Das Funkeln in seinen Augen. Mit größter Mühe beherrschte sie sich. Ihre Finger gruben sich in die Krempe der Haube, rieben über das grobmaschige Stroh.
„Hätten sie ein paar Minuten Zeit?“, fragte Harris und seine Stimme bebte dabei. Sie war schockiert. Konnte es sein, dass er den von Freude erfüllten Liebhaber gab? Dass er sein niederträchtiges Schauspiel fortführte?
„Es tut mir leid, Sir. Aber sie sehen ja – ich habe Kundschaft …“
„Kümmern sie sich nicht um mich, meine Liebe!“, rief die Kundin von ihrem Platz am Spiegel, und signalisierte damit, dass sie gelauscht hatte.
Elizabeth Empörung wuchs.
„Also gut. Um was geht es?“
Harris griff nach ihrem Ellenbogen, doch sie entzog sich geschickt, indem sie zu den Regalen am anderen Ende des Ladens ging. Sie ertrug seine Berührung nicht.
Es widerte sie an, seine Hand zu spüren.
„Bist du böse auf mich?“, flüsterte er und seine Stimme klang nicht
Weitere Kostenlose Bücher