Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
jedes Jahr geschlachtet werden, müssen ja irgendwo gemästet werden. Die EU-Richtlinie gesteht einem fünfzig Kilo schweren Schwein noch nicht einmal einen halben Quadratmeter zu. Wenn es ausgewachsen ist, hat es gerade mal null Komma fünfzehn Quadratmeter mehr Platz.«
»Hör mir auf mit der EU«, schimpfte Abby. »Mensch, was soll der Scheiß? Glaubst du, ich weiß das alles nicht?
»Zwei von drei Schweinen sind vollgestopft mit Antibiotika, damit sie die Mast aushalten und überleben. Bis zu fünfzehn verschiedene Wirkstoffe werden da eingesetzt. Je weniger Platz das Schwein hat, umso mehr muss man es mit Antibiotika vollpumpen. Wenn man bedenkt, dass so ein armes Schwein gerade mal sieben Monate lebt und während der Mast pro Tag eineinhalb Kilo zunehmen muss, dann kann man sich an fünf Fingern abzählen, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen kann.«
»Und warum isst du dann also noch Fleisch, wenn du alles so genau weißt, du Klugscheißer?«
»Das Schwein vom Metzger meines Vertrauens ist nicht mit Antibiotika behandelt.«
»Behauptet er!«
»Hat er als Zertifikat an der Wand hängen. Sogar den Namen des Bauern.«
»Kein Metzger kann es sich heute leisten, alles selbst herzustellen. Auch dein Metzger kauft zu. Vielleicht sogar aus unseren Fabriken. Fleisch und Wurst werden heute produziert wie Autos oder Kühlschränke.«
Wir erreichten das winzige Bega. Die Kirche liegt direkt an der Hauptstraße.
»Bega ist eine der ältesten Stammpfarreien in Lippe«, dozierte Ackergoldt. »Schutzpatron ist der heilige Petrus …«
Er wusste sehr viel über das kleine Örtchen zu erzählen. Als er links in eine kleine Straße bog und nach einem weiteren Kilometer vor einem schmiedeeisernen Tor anhielt, ahnte ich, warum.
»Ich zeige dir, wo ich wohne«, sagte er. Er betätigte eine Fernbedienung, und das Tor schwang auf. Wir fuhren hindurch, und als ich mich unauffällig umwandte, sah ich, wie es bereits wieder zuglitt. Mit einem leisen Klacken schloss es sich.
Einen Moment lang hatte ich den unangenehmen Vergleich mit einem Gefängnistor, das hinter mir zuging.
»Das ist einer der ältesten Höfe in der ganzen Umgebung. Hier hängt mein Herz dran. Hierher lade ich nur meine besten Freunde ein.« Er knuffte mich vertraulich in die Seite.
Er parkte den Wagen direkt neben einem der vier Häuser, die im Karree um den großen Innenhof angeordnet waren. Es waren alte, solide Fachwerkhäuser.
Ackergoldt bemerkte meinen Blick. »Früher stand hier nur ein Haupthaus. Ich habe die verfallenen Ställe abreißen lassen und die anderen Häuser hier wieder aufgebaut. Die wären sonst vermodert. Ich habe sie instandgesetzt. Mit meinen eigenen Händen«, setzte er stolz hinzu.
Ich verstand. Hier, am Ende der Welt, hatte er sich ein Refugium geschaffen. Es war die andere Seite des Abby Ackergoldt. Und es war ihm verdammt wichtig, dass ich diese Seite kennenlernte.
»Ich habe überlegt, ob ich dir nicht eine meiner Fleischfabriken zeige«, bestätigte er meine Vermutung. »Aber wahrscheinlich hättest du doch nur gekotzt. Komm mit, ich zeig dir was Schöneres!«
Bevor ich die Tür öffnen konnte, wurde sie bereits aufgerissen. Ein Leibwächter hatte sie von außen geöffnet. Er trug schwarze Turnschuhe, eine schwarze Jeans, einen schwarzen Pullover und eine schwarze, verspiegelte Sonnenbrille. Er verzog keine Miene.
»Das ist Sergio«, sagte Ackergoldt. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn er dich kurz durchsucht?«
Ich hatte eh keine Wahl. Also stellte ich mich breitbeinig hin, während Sergio mich rasch und professionell nach Waffen abtastete.
»Traust du deinen Freunden nicht?«, fragte ich.
»Einmal habe ich einem zu sehr vertraut …«
»Heuwinkel? Oder Schwekendiek?«
Er runzelte die Stirn. »Was willst du damit sagen? Ich meine einen anderen ehemaligen Freund. Willst du die Narbe sehen?«
»Nein danke«, winkte ich ab.
Ich schaute mich um. Auf dem Gelände entdeckte ich noch drei weitere Sergios. Sie trugen alle Schwarz. Das Tor, durch das wir gekommen waren, öffnete sich erneut. Ein unauffälliger weißer Opel fuhr auf den Hof. Das einzig Auffällige an der Familienkutsche waren die getönten Scheiben.
»Deine Leibwächter?«, fragte ich.
»Notgedrungen. Du weißt ja, was mit Herbert und Sascha passiert ist.«
Während wir auf das Haupthaus zugingen, fragte ich: »Bist du dir sicher, dass du meine Hilfe brauchst?«
Er blieb stehen und zeigte auf seine Leute. »Die können mir nicht wirklich
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