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Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Titel: Tod und Schinken: Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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war grell geschminkt, die Augenbrauen nachgemalt. Die rot geschminkten Lippen wirkten unecht. Selbst auf den ersten Blick erkannte ich, dass sie mit Silikon aufgespritzt waren. Irgendein Dilettant hatte seine Handschrift damit dauerhaft hinterlassen. Die zwei Ringpiercings in der Oberlippe wirkten wie zwei Wildschweinhauer, die aus dem Mund herausragten.
    Sie war alles andere als eine Schönheit, und ich fragte mich unwillkürlich, wie sich ein junges Mädchen derart verunstalten konnte.
    Sie trug eine weiße Bluse und Jeans. Die Hose spannte sich an den strammen Oberschenkeln. Ihre Stiefel hatten hohe Absätze – garantiert, damit sie größer wirkte.
    Die grünen Augen schauten mich feindselig an.
    »Was glotzt du so, Alter?«, stieß sie mit heiserer Stimme aus. Ihre Blicke warfen Dolche.
    »Wie kommen Sie hier herein?«, fragte ich. »Wer sind Sie?«
    Unwillkürlich sah ich mich um. Ich untersuchte die ganze Küche, und als sie immer noch nicht geantwortet hatte, auch kurz die Nebenräume. Außer uns beiden befand sich niemand in der Wohnung. Von der jungen Frau selbst ging wohl keine Gefahr aus. Sie wäre sonst nicht so ruhig geblieben. Außerdem hätte sie dann sicherlich nicht ein derart auffälliges Parfüm benutzt. Jeder, der die Wohnung betrat, musste es riechen: Angel , die Keule unter den Parfüms.
    »Warum laufen Sie hier herum?«, fragte sie misstrauisch. Die Aggressivität in ihrer Stimme war noch immer vorhanden. Aber wenigstens duzte sie mich nicht mehr. Es war das Mindeste an Höflichkeit, das ich von einer Fremden, die in meiner Wohnung Platz genommen hatte, erwarten konnte. »Glauben Sie, ich habe etwas gestohlen?«
    »Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet!«, knurrte ich. Ich zog einen Stuhl heran, sodass er ihr gegenüberstand, und setzte mich rittlings darauf.
    »Nun?«, fragte ich drohend. »Ich kann auch die Polizei rufen.«
    »Ich heiße Sare«, antwortete die junge Frau.
    »Ist das ein Spitzname?«
    »Nein, ein kurdischer Name. Ich bin Kurdin.«
    Ich war verblüfft, und offensichtlich sah sie es mir auch an. »Das hätte ich nicht gedacht«, sagte ich.
    »Und warum nicht? Glauben Sie, wir Kurden laufen alle in langen Gewändern und verschleiert herum?«
    »Nein, aber ich hätte Sie für eine Deutsche gehalten.«
    »Wieso? Glauben Sie, wir müssten aussehen wie Affen?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie mir wirklich helfen können.« Sie machte Anstalten, aufzustehen.
    »Halt!«, sagte ich. »Sie haben mir immer noch nicht verraten, wie Sie in meine Wohnung gekommen sind. Und was Sie überhaupt wollen. Vielleicht kann ich Ihnen ja doch helfen.«
    Ich wusste nicht, warum ich so reagierte. Sie interessierte mich weder als Frau noch als Fall. Aber als Person. Selten hatte ich jemandem gegenüber auf den ersten Blick eine so starke Abneigung empfunden. Ich wollte nicht, dass die Gefühle die Oberhand über meine Entscheidungen gewannen.
    Und ich wollte, verdammt noch mal, wissen, wie sie hereingekommen war und was sie damit bezweckte.
    Sie sank wieder auf die Couch zurück. Luna seufzte wohlig, als sie weiter gekrault wurde. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Hand meiner Besucherin mit Narben übersät war. Sie folgte meinem Blick.
    »Brandnarben«, erklärte sie beiläufig. »Nichts Besonderes.«
    »Also?«
    »Was?«
    »Erzählen Sie mir nicht, dass Luna Ihnen die Tür aufgemacht hat …«
    »Luna?«
    Ich wies auf meine Hündin. »Ich hatte sogar abgeschlossen.«
    »Ich habe geklingelt«, sagte sie. »Und als niemand aufgemacht hat, habe ich im Nebentrakt geschellt …«
    »Im Haupttrakt also«, verbesserte ich sie.
    »Ein altes Weib hat mir geöffnet. Ich habe ihr meine Sache vorgetragen, und sie hat mir den Schlüssel zu Ihrer Wohnung gegeben. Fertig.«
    Ich stieß einen stummen Fluch aus. Egal, welche Geschichte sie der Gräfin aufgetischt hatte, es war unverantwortlich von dieser gewesen, den Schlüssel herauszugeben.
    »Nix fertig«, sagte ich. »Und das machen Sie immer so? Dass Sie sich Zugang zu fremden Wohnungen verschaffen?«
    »Ich wollte nicht draußen warten«, sagte sie. »Ihr Freund hat mir geraten, mich zu verstecken …«
    »Dürfte ich erfahren, wie dieser Freund heißt?«
    »Ich kenne nur seinen Nachnamen: Abendroth.«
    Diesmal behielt ich den Fluch nicht für mich. Ich stieß ihn laut aus und hatte augenblicklich ein schlechtes Gewissen, als ich ihr erschrockenes Gesicht sah. Mir wurde bewusst, dass sie fast noch ein Kind war.

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