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Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Titel: Tod und Schinken: Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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kamen immerhin zwei ganze vollständige Worte aus seinem Mund: »Sehr gern.«
    Ich verschwand in der Küche und konnte nur hoffen, dass Ollie keine Dummheiten machte. Während ich Wasser in den Teekessel laufen ließ, diesen auf den Herd setzte und anschließend drei Löffel Darjeeling in das Teesieb füllte, versuchte ich eine Erklärung dafür zu finden, was Abendroth sich eigentlich bei all dem gedacht hatte. Ich kannte ihn als Strategen. Er überließ im Allgemeinen nichts dem Zufall. Selbst wenn ich ihm abnahm, dass ihm ein Fehler unterlaufen war, als er gedacht hatte, er würde mir eine Stunde Zeit verschaffen können. Aber zumindest der Taucher im Wald und das Auftauchen der jungen Kurdin mussten irgendwie zusammenhängen.
    Als der Kessel pfiff und ich das kochende Wasser über den Tee goss, kam mir ein weiterer Gedanke: Konnte es sein, dass Sare da mit drinsteckte? Dass sie etwas mit dem Taucher zu tun hatte?
    Als ich drei Minuten später mit dem Tee das Zimmer betrat, lag mir eine Frage auf den Lippen.
    Ollie und Sare schienen die ganze Zeit geschwiegen zu haben. Ollie starrte unverwandt auf den Teppich. Sare atmete hörbar auf, als ich wieder da war.
    Ich servierte den Tee und fragte wie beiläufig: »Waren Sie schon einmal tauchen?«
    Sie sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    »Was soll die Frage? Natürlich habe ich schon mal getaucht. Also untergetaucht. Im Freibad …«
    »Ich meine, im Taucheranzug.«
    »Nein, wie kommen Sie darauf?«
    »War nur eine Frage«, sagte ich.
    »Mein Vetter Ramadan war Taucher während seiner Armeezeit«, fuhr sie zu meiner Überraschung fort. »Kampfschwimmer. Er hat oft damit geprahlt, wie hart die Ausbildung war …«
    Sie nippte an ihrer Teetasse. »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Ich will alles wissen«, sagte ich. »Wenn Sie wirklich wollen, dass ich Ihnen helfe, muss ich alles wissen …«
    Sare war in einem winzigen Dorf im Süden der Türkei geboren worden – oder im Norden Kurdistans – je nach Sichtweise. Die Familie war so arm, dass ihre meisten Verwandten das Dorf verlassen hatten. Nur noch alte Leute und Kinder waren dageblieben. Die, die arbeiten konnten, verdienten sich ihr Geld als Hilfskräfte auf den Opiumfeldern der reichen Bauern. Sares früheste Erinnerung war, wie sie mit ihren Großeltern auf die steilen Berge um das Dorf gestiegen war und mit den Ziegen gespielt hatte. Und immer wieder seien türkische Soldaten in ihr Dorf eingefallen, hätten die, die dortgeblieben waren, verhört, sie geschlagen und sie bestohlen.
    Von ihrer Mutter wusste Sare, dass ihre Vorfahren noch in Höhlen und Erdlöchern gelebt hatten. Sie solle Gott danken, dass sie in einem richtigen Haus aufwachsen dürfe.
    Bereits damals war sie ihrem zukünftigen Ehemann Kemal versprochen worden. Sie selbst erinnerte sich nicht an ihn, doch sie wusste, dass er regelmäßig alle paar Monate vorbeigeschaut hatte, um ihren Eltern Geschenke zu bringen. Nach und nach sei die Familie reicher geworden. Wenn die auf den Opiumfeldern arbeitenden Verwandten zu Besuch gekommen waren, hatten sie immer Opium zum Schmuggeln dabeigehabt.
    Sare erinnerte sich, dass sie mehrmals mit ihren Großeltern, den Hirten, losgezogen war. Dabei hätten sie die Ziegenherde als Tarnung benutzt. Das Opium hatten sie unter Sares Kleidung versteckt. Einmal hätten Soldaten sie aufgegriffen. Ihre Großeltern hätten behauptet, sie würden nur nach ein paar Ziegen suchen, die sich von der Herde entfernt hatten. Die Soldaten hätten ihnen das abgenommen, aber von da an hatte Sare zu Hause bleiben müssen. Zu ihrer Sicherheit, wie die Großeltern ihr sagten.
    Als sie sechs war, baute der türkische Staat in ihrem Dorf eine Schule. Sare hatte Angst davor, eingeschult zu werden. Alle hatten Angst, auch ihre Eltern und ihre Großeltern. Die Kinder wurden registriert, und diejenigen, die einen kurdischen Namen hatten, bekamen einen neuen. Einen türkischen. Sare hatte Glück, denn an ihrem Namen nahm niemand Anstoß.
    In der Schule bläute man den Kindern ein, dass sie keine Kurden seien, sondern Türken. Ein Kurde zu sein bedeutete, zu vegetieren wie ein Tier. Nein, sogar schlimmer als ein Tier. Sare erinnerte sich an ein Sprichwort, das einer der Lehrer ihnen beigebracht habe: »Esege Kürt demisler, esek kirk gün yem yememis.«
    Das hieß in etwa, dass man einen Esel mit der Bezeichnung Kurde angesprochen habe. Daraufhin sei dieser so beleidigt gewesen, dass er vierzig Tage lang kein Futter

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