Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
Blattgold.«
»Schieb sie dir in den Arsch!«, wünschte er freundlich und legte grußlos auf.
Fünf Minuten später kam Hermine aus dem Bad. Sie trug ein quietschgrünes Shirt, das mich an die Farbe ihres VW erinnerte, eine schwarze ¾-Leggings, die ihre strammen Waden freiließ, wild gemusterte Söckchen und Turnschuhe. Sie hatte sich nicht geschminkt, und dunkle Schatten hatten sich unter ihren Augen eingenistet. Ich fragte mich, ob sie nicht übertrieb. Trug sie wirklich Trauer, sodass ihr alles egal war, oder wollte sie mit ihrem nachlässigen Outfit herausstellen, dass sie litt?
»Kommst du mit?«, fragte sie. »Ich habe einiges zu erledigen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du sollst dich bei Norbert melden. Er hat ein paar Fragen.«
Ich gab ihr Norberts Privatadresse und begleitete sie nach unten. »Was ist mit diesem Wurstknoten?«, fragte sie. »Soll ich ihm davon erzählen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das nehme ich persönlich. Ich schätze mal, die Warnung galt mir, nicht dir. Erzähl ihm meinetwegen, dass dein Mann diese Warnungen erhalten hat.«
Sie umarmte mich kurz und drückte sich an mich. »Pass gut auf dich auf«, sagte sie. »Ich möchte nicht noch jemanden verlieren.«
Luna bellte, und ich lächelte beruhigend. »Ich habe eine gute Leibwächterin.«
Hermine setzte sich in den Wagen und ließ den Motor an.
»Sehen wir uns heute noch mal?«, fragte ich.
»Wenn du willst.«
»Wie wär’s mit heute Abend?«, schlug ich vor. »Und ich sorge dafür, dass uns diesmal keiner dazwischenfunkt.«
Sie nickte, lächelte tapfer und fuhr davon.
Ich hatte plötzlich ein ungutes Gefühl.
So, als ob ich sie nie mehr wiedersehen würde.
16.
Als ich zum Haupttrakt hinüberging, um Ollie zu besuchen, schallte mir fröhlicher, vielstimmiger Gesang entgegen. Die Melodie kam mir bekannt vor. Allerdings klang sie sehr schräg, weswegen ich nicht sicher war.
Da auf mein Klingeln niemand reagierte – noch nicht einmal Duffy! – ging ich um das Gebäude herum und benutzte die Gartentür, die meistens unverschlossen war.
Ich hatte Glück, schlüpfte hinein, ging durch die große Küche und gelangte in den Flur. Von dort malträtierte der vielstimmige Chor in voller Lautstärke meine Ohren.
Der Lärm kam eindeutig aus dem Salon. Mittlerweile verstand ich einige Textfetzen:
Ein belegtes Brot mit Schinken,
aus Westfalen muss er sein,
dazu Käse, Senf und Schnaps,
schmeckt besser als der edelste Wein …
Es war einfach grauslich. Ich folgte dem Lärm. Vor der geöffneten Tür zum Salon blieb ich wie angewurzelt stehen.
Das Erste, was ich sah, war Wilburs gewaltiger Rücken. Er trug eine Weste aus Schaffell über seinem ansonsten nackten Oberkörper. Seine behaarten Oberarme zuckten hin und her. Ebenso wie sein ganzer Körper ekstatisch vibrierte. Im ersten Schreckensmoment glaubte ich an einen epileptischen Anfall. Oder etwas war in ihn gefahren. Der Teufel vielleicht. Vielleicht hatte ihn auch nur jemand an eine Steckdose angeschlossen …
Nichts von alledem traf zu, wie ich auf den zweiten Blick feststellte. Wilbur dirigierte. Statt eines Taktstocks hielt er ein Küchenmesser in der linken Hand und fuchtelte damit herum wie ein Derwisch. Es sah sehr gefährlich aus.
Ich spähte an ihm vorbei und gewahrte die Gräfin, Duffy, Ollie und Sare. Die standen wie die Orgelpfeifen aufgereiht und sangen voller Inbrunst.
Unser Gasthaus liegt am Wege
Eines jeden Wandersmanns,
unser Schinken ist famos,
und samstags ist hier Tanz!
Ich ging an Wilbur vorbei, in der Hoffnung, das ohrenbetäubende Spektakel würde damit enden. Aber ich hatte mich getäuscht. Sie muteten mir noch eine weitere Strophe zu:
Und darum komm auch du vorbei,
wir bewirten dich nach Strich und Faden,
ob Landbier oder eine leckere Sinalco,
hier kannst du dich so richtig laben …
Der Chor erstarb. Duffy sagte: »Ich möchte einwenden, dass sich laben nicht auf Faden reimt. Zumindest nur mit Gewalt!«
»Gesang ist Gewalt!«, widersprach Wilbur bestimmt. »Außerdem ist der Text von dir!«
»Eben. Daher erlaube ich mir, ihn zu kritisieren. Ich werde noch einmal über die endgültige Fassung nachdenken.«
»Was ist denn hier passiert?«, fragte ich fassungslos. Sie schienen mich erst jetzt zu bemerken.
»Ah! Moritz!«, stieß Wilbur hervor. »Wo hast du dich versteckt? Wir brauchen dich!«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Doch. Wir brauchen noch einen hohen Bass.«
»Ich singe den tiefen Bass«, sagte Duffy mit
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