Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
Dann schüttelte er den Kopf: »Aussehen und Konsistenz sind einwandfrei«, stellte er fachmännisch fest. Als Nächstes hielt er sie sich unter die Nase und machte den Geruchstest. Er gab dabei Geräusche von sich wie ein Weinkenner.
»Nein«, entschied er schließlich. »Die ist nicht vergammelt. Im Gegenteil, die riecht sogar ziemlich frisch. Wie gesagt, kein Lipper verschenkt frische Würste. Die hängt er sich irgendwohin und lässt sie reifen …«
»Was heißt das?«
»Ich sag’ ja: Sie riecht zu frisch. Das ist eine sogenannte Rohwurst. Die kriegt ihre Reife entweder durch Lufttrocknung oder durch Räuchern …«
»Einen Moment, Herr Backus«, unterbrach ich ihn. »Sie wollen damit sagen …«
»Dass diese Wurst eindeutig nicht in den Verkauf gehört! Wer immer das verbrochen hat, dem gehört der Kopf gewaschen! Solche miesen Praktiken sind es, die die ganze Branche immer wieder in Verruf bringen. Diese Wurst hätte noch mindestens eine Woche trocknen müssen. Ist genauso wie bei den Steaks: Die müssen lagern, bis das Fleisch fast schon am Gammeln ist. Da muss die ganze Feuchtigkeit raus. Manche Fleischer, vor allem aber die Supermärkte und großen Handelsketten, können’s einfach nicht abwarten. Die verkaufen Ihnen schlachtfrische Steaks. Das Ergebnis in der Pfanne ist dann entsprechend.«
»Hm, also stammt die Wurst hier eher aus einem Supermarkt?«
»Tendenziell ja.« Er wog sie in der Hand, drückte sie ein paar Mal und schnitt schließlich eine Scheibe ab.« Das mache ich jetzt nicht gerne, man weiß ja nie, was da alles drin ist, wenn’s nicht von uns stammt.«
»Schneiden Sie mir auch eine Scheibe ab. Ich leide mit Ihnen.«
Er säbelte ein weiteres Stück ab und gab es mir.
Die Scheibe fühlte sich eher weich an.
»Schwabbelig«, präzisierte Backus. Dann schob er sich die Wurst mit Todesverachtung in den Mund. Er schloss die Augen und kaute. Anschließend öffnete er den Mund, sog einige Male den Atem ein und schmatzte.
Eine Kundin schaute sehr pikiert herüber.
»Stimmt etwas nicht mit Herrn Backus?«, hörte ich sie besorgt fragen.
»Doch, bevor Herr Morgenstern kam, war er eigentlich ganz normal …«
Ich konzentrierte mich wieder auf die Wurst und steckte mir die Scheibe, die Backus mir gegeben hatte, in den Mund. Ich konnte nichts Besonderes daran feststellen.
»Und?«, fragte Backus.
»Eine ganz normale Salami.«
»So?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Was schmecken Sie?«
»Salami«, antwortete ich ehrlich.
»Ich schmecke Koriander und Thymian und ganz schwach eine Spur von Piment. Ich schmecke Pfefferkörner und Knoblauch. Eine Spur zu viel Knoblauch sogar, wahrscheinlich, um das eher minderwertige Schweinefleisch, aus dem die Wurst hauptsächlich besteht, geschmacklich zu übertünchen …«
Jetzt, wo er es sagte, schmeckte ich es auch. Zumindest den Knoblauch. Und auch den Thymian schmeckte ich heraus. Den etwas seifigen Geschmack musste der Koriander bewirken.
»Sie haben recht«, sagte ich. »Die Wurst schmeckt sehr nach den Gewürzen.«
»Wie gesagt, meistens ein Zeichen dafür, dass das verwendete Fleisch nicht ganz astrein ist. Normalerweise machen die Gewürze je ein Prozent der Wurst aus. Hier ist eindeutig zu viel des Guten drin. Fällt Ihnen sonst noch etwas auf?«
Ein Kopf beugte sich zwischen uns. Es war der der Kundin, die sich zuvor nach dem Befinden von Thomas Backus erkundigt hatte. »Dürfte ich auch mal probieren?«, fragte sie neugierig.
Ich sah Backus Hilfe suchend an. »Gibt es hier eigentlich keinen Platz, wo man sich ungestört unterhalten kann?«
»Nein«, grinste Backus. »Wir haben hier keine Geheimnisse vor unseren Kunden. Nicht wahr, Frau Albrecht?«
Die alte Dame warf mir einen bösen Blick zu, so als wollte sie sagen: »Siehst du! So behandelt man seine Kunden.«
Backus schnitt auch ihr eine Scheibe ab.
»Das schmeckt ja grausig!«, sagte sie entsetzt.
»Ist auch nicht von uns, Frau Albrecht. Probieren Sie mal unsere Salami. Frau Saladin bedient Sie gerne weiter.« Er kniff mir ein Auge zu, und Frau Albrecht begab sich dankbar wieder zurück zu der Verkäuferin.
»Ich würde auch mal gern den Unterschied schmecken«, sagte ich.
»Können Sie gleich. Fällt Ihnen noch etwas auf?«
Ich hatte die Wurstscheibe mittlerweile heruntergewürgt. Allein der salzige Geschmack verblieb noch im Mund. Ich teilte Backus meine Empfindung mit.
»Ihr Geschmackssinn trügt Sie nicht. Die Wurst ist eindeutig übersalzen. Hier wurde nicht
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