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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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öffnen. »Ich muß einer Naturgewalt gleichen, versteht Ihr?«
    Der Mann lachte leise und legte seine Hände auf Justinius' Rücken. Sie waren angenehm warm. Kräftig und doch sanft verteilte er das Öl über Schultern und Nacken und begann, die Muskeln durch rhythmisches Kneten zu lockern. Justinius grunzte beglückt.
    »Es gefällt Euch?« fragte der Masseur leise.
    »Oh ja. Ihr macht das ausgezeichnet.«
    »Danke.«
    »Wenngleich – aber nehmt es nicht persönlich – Euch natürlich die Vorzüge jener Blume abgehen, die sogleich in diesem Tempel erblühen wird, um mich auf ganz andere und köstlichere Weise zu verwöhnen.«
    »Natürlich.«
    Die Hände wanderten über seine Schulterblätter in die Mitte zum Rückgrat, strebten wieder auseinander, fuhren erneut zusammen, während sie sich langsam zur Taille hinabbewegten Justinius fühlte, wie sein Körper sich zu erhitzen begann.
    »Ein Fest wird das«, grinste er voller Vorfreude. »Ein schöner Abschied vom heiligen Köln.«
    »Alles zu seiner Zeit«, erwiderte der Masseur. »Seid Ihr nicht ein geistlicher Bruder?«
    »Sicher.« Justinius runzelte die Brauen. Was sollte eine solche Frage an diesem Ort? »Nun, es gibt schlimmere Sünden«, fügte er eilig hinzu, ohne recht zu wissen, warum er sich bei dem Kerl eigentlich entschuldigte. Andererseits, Gott sah alles. Sah er auch in die hintersten Winkel einer Kölner Badstube?
    »Erregt Euch nicht«, sagte der Masseur sanft. Seine Daumen fuhren über die Rippen bis zu den Achselhöhlen. »Es soll manchen Heiligen gegeben haben, der den Frauen in höchst eindeutiger Weise zugetan war. Die Enthaltsamkeit ist eine Erfindung der Neuzeit. Es gibt keinen Grund für falsche Rücksicht. Vor Jahren war ich mit einigen Studenten bekannt, die das Erbe der Goliarden pflegten und mir von der parisiana fames klagten. Sie ließen nichts unversucht, ihre Studien vor allem auf den Erwerb fetter Pfründe und wohlgestalteter Frauen zu richten. Es gibt da ein Lied –«
    Die Fingerspitzen schoben das Fettgewebe über Justinius' Nacken zusammen, preßten sich hinein und ließen wieder locker, setzten weiter unten erneut an. Der Masseur schien nachzudenken.
    »Es handelt von der Absolution, die sich die Studentenbanden jener Tage zu erteilen pflegten, indem sie sich naiv und willenlos gaben. Ich bin ein leicht' Ding, sangen sie, wie das Blatt, mit dem der Sturmwind spielt. Die Schönheit der Mädchen traf meine Brust. Kann ich sie nicht berühren, so trage ich sie im Herzen. «
    »Das ist ein gutes Lied«, pflichtete Justinius ihm bei, während in einer hinteren Ecke seines Verstandes eine seltsame Unruhe aufzog. Er hatte plötzlich das Gefühl, diesen Masseur zu kennen.
    »Gieriger bin ich nach Wollust als nach ewigem Heil, ist meine Seele tot, so kümmert mich nur das Fleisch«, fuhr der Mann fort. Die Bewegungen seiner Hände folgten dem Rhythmus des Gedichts, oder war es umgekehrt? » Wie hart ist es, die Natur zu bezahmen! Und beim Anblick einer Schönen reinen Geistes zu bleiben. Die Jugend kann ein so hartes Gesetz nicht befolgen, ihre lustvollen Körper fordern ihr Recht. «
    »Sehr richtig«, sagte Justinius zögernd. »Oder denkt an Jean de Meung und seinen Rosenroman: Die Ehe ist eine hassenswerte Bindung, die Natur ist doch nicht so blöde, daß sie Marotte nur für Robichon in die Welt setzt, noch Robichon für Mariette, oder Agnes oder Perette; zweifle nicht, schönes Kind, sie hat uns alle für alle bestimmt. Nur zu wahr! Und weiter die berühmte Tirade: Folgt unbedenklich der Natur, ich vergebe Euch alle Sünden, wenn Ihr nur ordentlich am Werk der Natur arbeitet. Seid schneller als die Eichhörnchen, rafft Eure Kleider hoch, um den Wind zu genießen, oder, wenn es Euch beliebt, zieht Euch nackt aus, und so weiter und so fort. Und doch sind die angeblichen Lästerer und Schreiber solcher Verse am Ende gute Christenmenschen geworden, seht Ihr? Der Archipoeta von Köln sang zuletzt in höchsten Tönen Barbarossas Loblied, Hugo Primas lehrte in Paris und Orleans, Serlo von Wilton ließ sich in England bekehren und starb als frommer Zisterzienser und treuer Anhänger Königin Mathildes, Walther von Chatillon als Kanoniker, alle samt große Prasser und Genießer, die sich um die Regeln des Klerus wenig scherten.«
    »Wie tröstlich«, murmelte Justinius. Was sollte das alles? Was waren das alles für Namen und Dinge, die der Kerl wußte, viel zuviel gebildetes Zeug für einen Badstubengehilfen? Und dann war da noch diese

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