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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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weiter ins heilige Land, im Namen des Herrn. Der Pöbel, das Fußvolk, die wilden Haufen, die kamen gar nicht erst an, waren unterwegs verhungert oder ihrerseits erschlagen worden oder einfach umgefallen. Aber die großen Ritterheere, die schafften es. Sie belagerten Jerusalem. Fünf Wochen lang! Sie schwitzten sich tot in ihren Rüstungen, sie müssen darunter gestunken haben wie die Schweine, sie verfaulten und verwesten, aber sie hielten aus. Dann drangen sie in die Stadt ein, und von diesem Tage heißt es, die Unsrigen seien bis zu den Knöcheln, bis zu den Knien der Pferde im Blut der Sarazenen gewatet. Wißt Ihr, worauf sie ihr neues christliches Königreich gründeten? Auf Mord! Auf Verstümmelung und Folter! Auf Plünderung und Vergewaltigung! Das sind die Christen, mein Sohn! Das ist unser verdammter christlicher Habitus, auf den wir so stolz sind, unsere himmelschreiende Nächstenliebe!« Er zischte verächtlich. »Und was steht demgegenüber im Brief an die Hebräer? Ein paar schlichte, fast langweilige Sätze: ›Die Bruderliebe soll bleiben. Vergeßt die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt. Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen. Denkt an die Mißhandelten, denn auch ihr lebt noch in eurem irdischen Leib.‹«
    Jacop schwenkte seinen Becher und versuchte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Aber das ist doch alles lange her«, sagte er. Die Worte verbanden sich zu einem Wurm von Lauten.
    »Nein!« Jaspar schüttelte heftig den Kopf. »Nein, die Sarazenen eroberten Jerusalem ja zurück! Ein Kreuzzug folgte auf den anderen, nachdem selbst ein Heiliger wie Bernhard von Clairvaux sich in den Dienst der Metzger stellte. Du kennst Bernhard, Junge?«
    »Nicht, daß ich –«
    »Natürlich nicht. Und wieder gab es Ablaß, wie auf den Märkten ging das zu, die päpstlichen Bullen legitimierten neuen und wieder neuen Mord, und die Ritter – langweilig ist das Leben auf der Burg, wenn Ritter nicht mehr gefragt sind – warfen sich ins Eisen und schrien wieder Deus lo volt! Aber es nützte ihnen nichts. Der jämmerliche Erfolg ließ sich nicht wiederholen. Sie gingen ins heilige Land, um zu scheitern und zu sterben, während sie ihre Machtspielchen untereinander ausfochten, die Kirche ihre Führerschaft zu festigen suchte und weit draußen sagenhafte Schätze lockten. Du siehst, alles ehrbare Gründe. Lichte Flammen vom heiligen Feuer des Glaubens. Und dann kam der Kreuzzug nach Köln, das heißt, sein böser Odem blies durch die Gassen der Stadt und streifte einen Knaben namens Nikolaus und noch einen anderen, zwei zehnjährige Bengel. Dieser Nikolaus stellte sich hin und rief alle Kinder auf, ihm nach Jerusalem zu folgen und die Sarazenen alleine mit der Kraft des Glaubens zu bezwingen. Sie wollten das Mittelmeer teilen wie einst Moses das Rote Meer, die infantilen Horden, denen anzuschließen sich selbst Pilger und Priester nicht zu schade waren, von Knechten und Mägden ganz zu schweigen. Gott weiß, wie sie über die Alpen kamen, die Jüngsten nicht mal sechs Jahre alt. In Genua war ihr Haufen kärglich zusammengeschmolzen, der größte Teil war tot. Und was passierte? Was passierte, he?«
    Jaspar ließ die Faust auf den steinernen Boden sausen. »Nichts! Gar nichts! Das Meer hat ihnen was geschissen! Teilen, ich? Da muß doch bitte schon ein Prophet kommen oder wenigstens ein Heiliger vom Schlage des Clairvaux. Da standen sie, die verlorenen Kinder, ausgeraubt, kraftlos, heulend und zähneknirschend. Und in St. Denis, da war noch so ein Verlorener, Stephan, noch keinen Bart hatte der im Gesicht, aber auch dem liefen Tausende nach, und sie marschierten nach Marseille. Lasset die Kindlein zu mir kommen, spricht der Herr, aber das sprachen an Ort und Stelle auch zwei Kaufleute. Sie packten die Kinder auf Schiffe und verkauften sie als Sklaven in die Hände derer, die hatten bezwungen werden sollen, Ägypter und Algerier. Und da fragst du, warum es gerade die Kölner nötig haben, sich für den Kreuzzug zu begeistern?«
    Jaspars Stimme hatte begonnen, Jacop zu umkreisen, wie ein kläffender Köter, der zubeißen will und noch nicht weiß, wohin. Jacop stellte seinen Becher ab. Er fiel um.
    »Man hätte diesen Kindern ein paar Ohrfeigen geben sollen«, lallte er.
    »Ja, hätte man. Hat aber keiner. Weißt du, was die Kirche damals sagte? Fürwitz, sagte sie. Vorwitzige Knaben, als hätten sie Obst gestohlen oder die Kesselflicker gezankt. Willst

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