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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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und bedeutete ihm, voranzugehen. Vorsichtig bewegten sie sich auf den schlüpfrigen Stufen nach unten. Der feuchte Modergeruch fing Jacop wieder ein, und ein seltsames Gefühl der Zeitlosigkeit befiel ihn. Vorne im Düsteren tropfte es hallend. Dann erfüllte der Schein der Kerze die unmittelbare Umgebung. Jaspar stand neben ihm.
    »Könnt Ihr Euch vorstellen, hier drin den Rest Eures Lebens zu verbringen?« fragte er. »Nicht, wenn Ihr dürft, wenn Ihr müßt.«
    »Nicht mal, wenn ich dürfte.«
    Der Physikus lachte trocken. »Und doch seid Ihr hier im Paradies. Was wissen wir denn von den Kreuzzügen?« Er ging in die Mitte des Gewölbes, machte sich an einem Faß zu schaffen und füllte drei, vier Pinten ab. Jacop lief ihm leichtfüßig nach. Er war das Zeug nicht gewohnt. Ziemlich beschwingt drehte er sich um seine Achse, breitete die Arme aus und fühlte sich wie eine Feder auf den kühlen Boden sinken.
    Jaspar betrachtete ihn prüfend und stellte die Kerze vor ihn hin. Dann nahm er Jacop gegenüber Platz und füllte die Becher. »Hier ist ein besserer Platz, um über die Kreuzzüge zu sprechen«, sagte er und trank.
    Jacop tat es ihm gleich.
    »Zugegeben«, meinte er.
    »Nein, Ihr versteht mich falsch. Dieser Keller ist ein Loch. Er ist ungesund und bedrückend. Er ist mein Bußgefäß.«
    »Interessante Buße«, lachte Jacop. »Ich könnte oben weitertrinken, Füchschen, wo's hübsch warm ist. Aber ich will nicht. In einer gutbeheizten, gemütlichen Stube über das Unrecht zu sprechen und den Schrecken, das kommt einer Verspottung all derer gleich, die wirklichen Schrecken erfahren. Ihr wollt wissen, was Urban träumte? Nun, angeblich erschien ihm der Herr und befahl ihm, einen Krieg zu führen im Namen des Kreuzes gegen die Heiden und Ungläubigen. Im November des gleichen Jahres, anno domini 1095, predigte er auf dem Konzil in Clermont den Kreuzzug, beschwor Arm und Reich, die Türken in einem ungeheuren Feldzug, einem heiligen, gerechten Krieg, wie es seinesgleichen bis dahin nicht gegeben habe, zu vernichten, und alle, wie sie da waren – und es waren eine Menge da, zuviele! – Bürger, Kaufleute, Geistliche und Bewaffnete, viel zu viele, zerrissen ihre Kleider zu Kreuzen, und sie schrien Deus lo volt, Deus lo volt!«
    Er schwieg eine Weile. Jacop fragte nicht nach der Bedeutung des Schlachtrufs. Er konnte es sich denken.
    »Dann zogen sie los, die Ritter, Kaiser und Könige, Fürsten, Diebe und Bettler, Priester und Bischöfe, der Pöbel von der Straße, Betrüger und Mörder und alle, die laufen oder reiten konnten. Jubelnd machten sie sich auf, für den Herrn zu kämpfen, bestochen durch einen beispiellosen Ablaß ihrer Sünden, wenn sie nur das Schwert in die Hand nehmen und in die heiligen Gebiete fahren wollten. Und immer wieder schrien sie Deus lo volt! – als könne Gott gewollt haben, daß sie auf ihrem Weg, während ihre Haufen und Horden sich gegen die Ungläubigen wälzten, auch gleich die Ungläubigen im eigenen Land hinschlachteten und ihre Hände in das Blut der Juden von Mainz, Worms, Speyer und anderen Städten tauchten, sinnlose Progrome abhielten, an deren Ende sie unschuldige Männer, Frauen und Kinder köpften, verbrannten, aufschlitzten, daß sie brandschatzten und plünderten und zur Geißel der Christenheit wurden, die sie zu befreien trachteten!« Jaspar spuckte aus. »Gott will es? Die Geschichten deines Bram vom Kreuzzug sind ein lächerlicher Dreck, ich habe sie gehört, kein Märchen kann weiter von der Wahrheit entfernt sein als sein Geschwätz, auch wenn er es gut darzubieten wußte. Bram war kein Kreuzritter. Er hatte ein paar von denen gekannt, die zurückgekommen waren ohne Arme, ohne Beine oder ohne Verstand. Ungarn und Byzanz, Istrien, Konstantinopel, alles wurde dem Erdboden gleichgemacht. Ich habe gelesen, was ein Chronist aus Mainz geschrieben hat, bevor sie auch ihn abschlachteten. Warum verdunkelte sich nicht der Himmel, schrieb er, warum zogen die Sterne ihren Lichglanz nicht ein, und Sonne und Mond, warum verfinsterten sie sich nicht an ihrem Gewölbe, als an einem Tag elfhundert heilige Personen ermordet und hingeschlachtet wurden, so viele Kleine und Säuglinge, die noch nicht gefrevelt und gesündigt hatten, so viele arme und unschuldige Seelen!? Sie beschworen den Ewigen, aber der Ewige war gerade woanders, vielleicht fand er auch, sie hätten es verdient. Und das alles geschah noch hier, in unseren Städten.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Dann zogen sie

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