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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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gottgefälligen Taten, während Zwanzigtausend zusahen, das war schlimm. Als jene von uns, die ihren Stolz keinem korrupten, verbrecherischen Erzbischof andienen wollten, als freie Bürger die Stadt verließen, um wie Diebsgesindel zurückgeholt und enthauptet zu werden, war das ein schlimmer Tag. Vierundzwanzig Patrizier in Konrads Haft zu wissen, ausgeliefert seiner Habgier und seinem verhärteten Herzen, und so viele von uns vogelfrei und in die Welt zerstreut, als hätte der Zorn von Babel sie auseinandergetrieben, ich weiß nichts Schlimmeres. Und schlimm sind der Kleinmut und der schäbige Zweifel der Moralisten, denen jede Entschuldigung recht ist, nicht handeln zu müssen, die Angst der Hasen, die vorgeben, Löwen zu sein, und doch beim Anblick eines zahnlosen Köters quieken und zittern. Das Schlimmste aber sind die geheimen Bünde und Bruderschaften, wenn sie ihr Leben auf ein hohes und edles Ziel schwören, die Faust recken und Parolen schreien, um dann als Haufen greinender Schwächlinge alles zu verraten, wofür sie einzustehen gelobten mit Leib und Seele. Die das Schwert tragen und doch keine Ratte erschlagen können, das sind die Schlimmsten.«
    Sie hob die Hände zu einer knochenstarren Beschwörung.
    »Unser Tun ist richtig. Die Toten sind zu bedauern, und ich bete für sie in jeder Minute meines verlöschenden Daseins. Wie soll ich auch ihren Tod nicht im Innersten leiden, da ich selbst schon von seinem schweren Frieden durchdrungen bin? Der Bruder des Schlafes hat sich mir zur Seite gelegt, ein letzter, köstlicher Liebender, bevor ich eingehe in das Licht und die Herrlichkeit und das Geschenk des Odems zurückgebe an den Schöpfer. Aber dennoch: jeder Schlag, den mein Herz noch tut, ist ein Schlag gegen die, die uns verderben wollen, die Huren des Baphometen und des großen Tieres, mit jedem Atemzug keuche ich nach Gerechtigkeit und Rache für unsere Toten und Vertriebenen! Wer von Euch will mir sagen, mein Sehnen sei umsonst und daß ich unerfüllt und voller Trauer hinübergehen soll, daß ich umsonst gehofft und gebetet habe? Will es einer sagen, so trete er vor. Ich werde ihn sehen, auch wenn ich ein altes, blindes Weib bin, aber ich werde ihn erkennen.« Ihre Hände sanken kraftlos herab. Sie hatte die Stille des Grabes über die Runde gebracht, die Sprachlosigkeit der Scham und der Erkenntnis.
    Jetzt senkte sie den Kopf und schwieg.
    Johann räusperte sich.
    »Wir werden nicht ablassen von unserem Plan«, stellte er fest. »Der Schwur gilt. Ich denke, jeder von uns kennt seinen Platz. Kuno –«
    Der Angesprochene starrte unverändert vor sich hin.
    »– ich halte es für besser, wenn du an unseren weiteren Beratungen nicht mehr teilnimmst. Das wäre alles.« Johann stand auf und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort.
    Nocturno
    »Ich kann nicht einschlafen.«
    Richmodis seufzte. Sie drehte sich auf die Seite und sah durch das Dunkel zu Godderts Bett. Die Decke wölbte sich über seinem Bauch, ein kleiner Ararat, auf dem nur noch die winzige Arche fehlte.
    »Was ist denn los?« fragte sie sanft.
    »Dieser Kerl beschäftigt mich«, brummte Goddert.
    »Jacop?«
    »Er hat den Teufel gesehen. Ich mag den Gedanken nicht, daß der Teufel auf dem Dom sitzt und auf uns herunterspuckt!« Sie überlegte. Dann setzte sie sich auf, tapste auf nackten Füßen zu Goddert und nahm seine Hand.
    »Und wenn es nicht der Teufel war?« fragte sie.
    »Nicht der Teufel?« Goddert stieß ein Knurren aus. »Es kann nur der Teufel gewesen sein, dann ist er eben in der Gestalt eines Menschen aufgetreten, wie so oft. In was für Zeiten leben wir, da der Satan sich der Seele eines Dombaumeisters bemächtigt!«
    »Hm. Vater?«
    »Was?«
    »Erzähl mir nichts vom Teufel, ja? Sag mir einfach, worauf du hinauswillst.« Godderts Finger schabten durch seinen dünnen Bart. »Naja«, meinte er vorsichtig. »Naja?« »Er hat überhaupt sehr viel erzählt, dieser Rothaarige. Man sollte ihm zur Seite stehen, meinst du nicht auch?«
    »Sicher.«
    »Oder hältst du ihn für einen Lügner? Ich meine, anders gesagt, wenn er jetzt kein Lügner ist, dann erfordert es die Nächstenliebe, ihm zu helfen, aber ich frage mich trotzdem, ob man ihm auch trauen kann. Er könnte ein Lump sein. Ich will das nur zu bedenken geben.«
    »Richtig. Könnte er.«
    »Herrgott!« schnaubte Goddert. »Wie soll ich es ausdrücken, ich bin ein wohltätiger Mensch, und das hast du bestimmt von mir, daß du ihm was Warmes für auf die Knochen schenkst.

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