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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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ein Verlust der Tod
Diethardt Notebooms für die politische Landschaft bedeutete. Man bezeichnete
ihn als liberalen, aber auch konservativen Geist, der für Werte wie
Bürgerrechte und Freiheit des Einzelnen gestanden habe, ebenso wie für
Traditionelles: Ehe, Familie und Mittelstand. In welcher Welt hatte ich nur
gelebt, dass all das so spurlos an mir vorübergegangen war?
    Noch während man damit beschäftigt war, den Politiker zu einem
Staatsmann der ersten Liga hochzuloben, drehte sich auch schon das Karussell
möglicher Nachfolgerkandidaten. Darunter war auch Susann Bolzenius, jene
gestylte Schönheit, die ich auf der Weihnachtsfeier kennengelernt hatte und die
Liberalsein vor allem im sexuellen Sinne verstand. Ihre seidenweiche Stimme
erklärte dem Interviewer, dass alle noch so schockiert seien und es viel zu
früh sei, die Frage nach einem geeigneten Nachfolger zu stellen. Viel zu früh.
Das gebiete schon der Respekt gegenüber jenem Mann, der gestern Nacht sein
Leben gelassen habe, nachdem er sich so viele Jahre für seine Partei
aufgeopfert habe. Und dessen persönliche Assistentin sie ja gewesen sei. Im
Übrigen sei es grundfalsch zu behaupten, sie, Bolzenius, habe vor, mit Nein zu
antworten – dies nur für den Fall, dass man in dieser Frage an sie herantrete.
Wer das aber tue, müsse sich darüber im Klaren sein, dass sie sich als brutalst
mögliche Aufklärerin verstehe und das nicht nur der Dinge, die diese
schreckliche Tat aufklären konnten.
    Nach dem Interview nervte eine Techno-Version von »Rudolph the
red-nosed Reindeer«. Ich hatte keine Lust mehr auf alten Toast mit alter
Marmelade und plünderte stattdessen einen meiner Schoko-Adventskalender. Von
den Dingern besaß ich über zehn Stück, hatte sie letztes Jahr im
nachweihnachtlichen Sonderangebot erworben. Aber ich kam nur bis zum
neunzehnten Dezember, dann setzte schlagartig Übelkeit ein. Und mit der
Übelkeit auch die Erkenntnis, dass ich mir selbst keinen Gefallen damit tat,
Hermine Tiedemanns Vorschuss einfach einzustecken. Wollte ich als
Kleinunternehmer im Dienstleistungsbereich langfristig überleben, hatte mir
nichts wichtiger zu sein als ein guter Ruf und zufriedene Kundschaft. Also
packte ich mich in meine Winterjacke ein, steckte den Geldumschlag in die
Tasche und stürzte mich in das winterliche Verkehrschaos.
    Bis nach St. Mauritz, wo verdiente Menschen wie Notebooms
residierten, reichte das Chaos allerdings nicht. Hier waren die Straßen
schneefrei, auch die Gehwege und Einfahrten der Grundstücke waren säuberlich
geräumt. Schmutzig graue Schneeberge, wie sie in der Innenstadt sämtliche
Straßenränder verunzierten, fehlten hier, oder man hatte sie nachträglich weiß
eingefärbt. Mit einem gleichgültigen Blick, der mich an den wiederkäuender
Rindviecher erinnerte, sahen mir die schneeschippenden Anwohner dabei zu, wie
ich mich dem Domizil meiner Auftraggeberin näherte.
    Löwenich öffnete. »Ach du«, begrüßte er mich mit einer dem Anlass
angemessenen Trauermiene. »Ich weiß nicht, ob die Chefin –«
    »Genau deswegen bin ich hier«, sagte ich und schob mich an ihm
vorbei ins Haus.
    In der Tür zum Wohnzimmer begrüßte mich Hermine Tiedemann. Sie trug
einen recht kurzen schwarzen Rock über einer schwarzen Wollstrumpfhose, dazu
eine hochgeschlossene graue Bluse – beides harmonierte perfekt mit ihrem
Bürstenhaarschnitt. Ihr Blick war wie immer, kalt und entschlossen. Ich
kondolierte höflich, und sie dankte. Dann deutete sie fragend auf den Umschlag,
den ich ihr hinhielt.
    »Niemand konnte schließlich ahnen«, erklärte ich, »dass sich die
Angelegenheit, in der ich für Sie tätig war, in dieser Art und Weise erledigen
würde.«
    Hermine machte keinerlei Anstalten, das Geld zurückzunehmen. »Ich
frage mich, Herr Frings, wie Sie darauf kommen, dass Ihre Arbeit schon erledigt
ist.«
    »Nun, Ihr Mann …«, begann ich. »Ich meine: Schließlich lebt er nicht
mehr. Und ich wäre doch wohl ein schlechter Privatdetektiv, wenn ich diese
tragische Situation ausnutzen und weiter Gewinn aus ihr ziehen würde, nicht
wahr?«
    Statt des von mir erwarteten Beifalls verfinsterte sich ihre Miene.
»Ihr Auftrag ist erst erledigt, wenn Sie mir sagen können, wer Diethardt
ermordet hat.«
    »Aber ich bin Privatdetektiv. Für Mordermittlungen ist die Kripo
zuständig.«
    »Den Strafverfolgungsbehörden dieser Stadt ist nicht zu trauen.«
    »Nicht?« Ich wunderte mich.
    »Lesen Sie Zeitung, Herr Frings, schauen Sie Fernsehen,

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