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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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ganz
besonderes Anliegen gewesen.«
    »Noteboom war zweifellos ein Visionär«, deklamierte Hillgruber und
hielt für einen Moment inne, bevor er sich noch einen weiteren Kloß aus der
Schüssel fischte. »Die politische Landschaft hat einen zweiten Kennedy
verloren.«
    Hermine schnäuzte sich vernehmlich. Als sie ihr Taschentuch sinken
ließ, sah sie so gefasst aus, dass ich mich fragte, wie sie dieses Geräusch
erzeugt hatte.
    »Tja«, sagte ich, »und jetzt sind Sie aber schon auf der Suche nach
einem dritten, nicht wahr?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich sage nur: Susann Bolzenius. Liebling der Medien und
Shootingstar der Buchbranche. Sie hat schon angedeutet, dass sie nicht
abgeneigt ist. Das kam eben im Radio.«
    Der Mann mit den Hängebacken lachte tonlos. »Diese Frau ist doch
noch ein Kind. Zweifellos ein Gewinn für die Partei, vor allem was eine
inhaltliche Neubesinnung betrifft. Sie hat sich als Diethardts persönliche
Assistentin bewährt. Eines Tages wird sie an der Spitze stehen, aber noch nicht
heute.«
    »Und das ist gut so«, ergänzte Hermine. Sie erhob sich und machte
Löwenich ein Zeichen.
    »Also, ich muss dann auch mal los.« Ich ergriff die Gelegenheit und
stand ebenfalls auf. Nach diesem Klößemarathon brauchte ich dringend frische
Luft. »Nochmals vielen Dank für die Einladung. Es war sehr aufschlussreich.«
    Doch ich hatte mich zu früh gefreut. In der Tür stand die Tiedemann
und sah nicht so aus, als würde sie mich vorbeilassen. »Sie wollen doch nicht
den Nachtisch verpassen«, sagte sie und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung,
wieder Platz zu nehmen.
    Es gab Grießpudding mit Pflaumensoße, nicht gerade mein
Lieblingsnachtisch, aber zu meinem Glück verputzte Hillgruber den Löwenanteil.
Es war halb zwei, als ich pappsatt das Haus verließ und mich zur Bushaltestelle
begab. Unterwegs holte ich mein Handy aus der Tasche und tippte eine Nummer
ein.
    »Ja, was gibt’s denn?«, meldete sich Gorbitsch genervt.
    »Ich bin’s, Ole. Würde dich gern sprechen wegen deiner Ehemaligen.
Sollen wir uns mal wieder treffen, so wie zu alten Zeiten?«
    »Welcher Ehemaligen?«
    »Hermine Tiedemann.«
    »Ach die. Na ja, heute sieht es jedenfalls ganz schlecht aus.«
    »Und morgen?«
    »Morgen auch. Es sieht immer schlecht aus. Beschissen, wenn du mich
fragst.«
    Mir kam der Gedanke, dass ihm irgendetwas die Laune vermiest hatte.
Kein Vergleich zu dem Buddha-Gehabe, das er neulich vor sich hergetragen hatte.
»Na schön, Jan, wenn es dir nicht passt …«
    »Dann komm meinetwegen morgen vorbei.« Damit legte er auf.
    Hinter mir klingelte es, und ich trat, wie in dieser Stadt üblich,
zur Seite, um den Radfahrer vorbeizulassen. Es war Conny Löwenich.
    »Da staunst du, was?«, grinste er. Er trug eine Pudelmütze in den
gleichen Farben wie seine Kochschürze und erinnerte an die ersten grünen
Parlamentarier, die den Plenarsaal niemals ohne Strickzeug betreten hatten.
»Kein Problem«, sagte ich. »Stil ist eben nicht jedermanns Sache.«
    »Ich meine doch das Fahrrad.« Er stieg ab und bot mir den Lenker.
»Generalüberholt und wie neu.«
    »Tolle Arbeit«, lobte ich pflichtgemäß, schließlich war es nicht
mein Rad, sondern das von Gorbitsch. »Wie viel schulde ich dir?«
    »Vergiss es, Mann. Das geht aufs Haus.«
    »Danke vielmals, aber ich habe gerade einen fetten Vorschuss
kassiert.« Ich zog einen Zwanziger aus dem Umschlag und stopfte ihn großzügig
in seine Jackentasche. »Jetzt erzähl mir bloß nicht, dass dein Butlergehalt
keine Wünsche offen lässt.«
    Conny zog den Schein wieder aus der Tasche, strich ihn glatt,
faltete ihn sorgfältig und steckte ihn in die Hosentasche. »Also schön«, meinte
er. »Dann lade ich dich wenigstens auf einen Kaffee ein.«

11
    Das »Café Augenhöhe« befand sich ganz in der Nähe, wenige
hundert Meter weiter stadtauswärts in einem schmucken ehemaligen Bauernhof.
Warmes Licht leuchtete aus den kleinen Fenstern hinaus in die Schneelandschaft,
dass es fast so idyllisch aussah wie bei Pettersson und Findus. Der Hof
beherbergte eine Begegnungsstätte, eine Infothek, eine Jobbörse und das »Café
Augenhöhe«. Wer sucht, der findet e. V. stand in
dicken roten Lettern über dem hölzernen Eingangsportal.
    »Was bedeutet das?«, wollte ich wissen. »Hört sich irgendwie
religiös an.«
    »Wer sucht, der findet«, erläuterte Conny Löwenich. »Das ist das
Motto des Vereins: Wer Arbeit sucht, der findet auch welche. Hinter all dem
steckt Hermine Tiedemann.

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