Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
Vielleicht
nicht gerade ein Meilenstein der Filmkunst, dafür kurzweilig und zur Jahreszeit
passend. Meine Art, mich auf das Fest der Liebe einzustimmen, grinste er.
Solche Filme sorgten nicht nur für Entspannung der speziellen Art,
sie inspirierten auch. Weihnachtsfrauen – eine bahnbrechende Geschäftsidee, die
seine Firma ganz nach vorn katapultiert hatte. Warum nicht weiterdenken und
neue Wege gehen? Eine Filmkarriere starten? Darstellerinnen hatte er im
Überfluss und Geld erst recht. Schubert schwebten aufgeschlossene, liberale
Filme vor. Vielleicht nicht für jeden das Richtige, aber sie würden ihr Geld
schon einspielen. Und Titel hatte er sich auch überlegt: »Geile Bräute auf der
Weihnachtsfeier« zum Beispiel, »Weihnachtsmännerphantasien« oder
»Weihnachtstitten unplugged«.
Es klopfte. Schubert, der die Fernbedienung in der Hand hielt,
drückte nicht auf »Play«. Wer konnte das sein um diese Zeit? Eigentlich nur
Butch, der wieder mal Überstunden auf eigene Rechnung machte. Schubert fand,
dass Bodyguards ganz schön nervig sein konnten, besonders wenn sie sich durch
permanenten Übereifer unentbehrlich machen wollten. Er stellte den Drink ab und
ging zur Tür. »Was gibt’s denn noch so Wichtiges, Butch?«
Draußen stand aber nicht Butch, sondern eine seltsame Gestalt, die
ihm auf den ersten Blick einen schönen Schrecken einjagte. Groß und schlank,
kahlköpfig und ganz in einen schwarzen Umhang gehüllt. Das Gesicht war eine
böse Fratze, deren Blick starr auf Schubert gerichtet war.
»Scheiße, wer bist du denn?«
»Du hast mich nicht erwartet, hab ich recht?« Die Stimme der Gestalt
war ein dünnes, unangenehmes Rasseln. Unangenehmer als Marlon Brandos Stimme in
seiner Rolle als Vito Corleone. »Und das, obwohl ich dir mein Kommen
angekündigt habe.«
»Nein, hast du nicht. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Bist du
sicher, dass es sich nicht um einen Irrtum handelt?«
Schubert versuchte forsch und unbeeindruckt zu klingen, aber es
gelang ihm nicht so recht. Er merkte, dass er einige Schritte zurückgewichen
war. Und sein Besucher, ein Geist, oder was immer er war, folgte ihm. Ein
aufdringlicher Kerl.
»Wie kannst du nur denken, dass ich mich irre? Ich kenne dich genau,
Schubert. Jede einzelne deiner Sünden ist mir bekannt. So war es auch bei
Diethardt Noteboom.«
»Noteboom?« Der Chef von »World of Christmas« hörte diesen Namen
nicht gern, nicht in diesem Zusammenhang.
»Auch der meinte, sich lustig machen zu können. Spielte den
Unbeeindruckten. Dabei kannte ich auch seine sämtlichen Sünden. Und was ist
schließlich passiert?«
»Du hast ihn umgebracht«, riet Schubert.
»Sagen wir: Schließlich und endlich muss ihm klar geworden sein,
dass ich nicht scherze. Dass mein Besuch, so ungelegen er ihm kam, kein Grund
war, sich zu amüsieren. Was er nämlich zunächst durchaus glaubte.«
»Ich will wissen, ob du ihn getötet hast oder nicht«, beharrte
Schubert trotzig.
»Der Geist der blutigen Weihnacht ist ein Geist und kein Ungeheuer.
Er mordet nicht mit der Sense in der Hand. Aber wenn er erscheint, kannst du
dir sicher sein, dass du den Geist der zukünftigen Weihnacht nicht mehr erleben wirst.« Für einen Augenblick schien es, als
verzöge sich der Mund des Geistes zu einem Grinsen. Aber er blieb starr. »So
wie du jetzt.«
»Was willst du von mir?« Schubert hörte seine eigene Stimme und
fand, dass sie nicht fest war, sondern leicht zitterte.
»Einen Tee. Ich bin dein Gast und du lädst mich zu einem Tee ein.«
Tee? Kommt nicht in Frage, dachte Schubert. Nichts essen und nichts
trinken. Nicht den gleichen Fehler machen wie dieser Tölpel Noteboom. »Also ich
weiß nicht …«
Die Gestalt in Schwarz war zum Fernseher getreten. Das stehende Bild
zeigte den Titel der DVD : »Scharfe Kätzchen zur
Heiligen Nacht«. Darunter das Menü: Abspielen,
Kapitelauswahl, Beenden. »Du hast nichts gelernt«, zischte die Gestalt.
»Was regst du dich auf?«, ereiferte sich Schubert. »Das ist doch nur
ein Film. Ich konnte schließlich nicht wissen, dass du aufkreuzt und mir den
Abend vermasselst.« Er nahm die Fernbedienung und drückte einen Knopf. Der
Bildschirm wurde schwarz.
»Dann trinken wir jetzt also Tee?«
»Zuerst möchte ich noch etwas wissen, Geist. Bei Noteboom waren es
Fleischklopse, nicht wahr? Sie waren vergiftet, und er ist daran verreckt.«
Kopfschütteln. Langes, geisterhaftes Kopfschütteln.
»Nein? Ist er nicht?«
»Keine Fleischklopse«, sagte die
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