Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
ich noch einmal.
»Sind Sie da?«
Die Antwort lautete: ja. Strumpf lag ausgestreckt auf dem dunklen
Holzfußboden seines Arbeitszimmers, eine Lichterkette um den Hals, mit der er
offenkundig erwürgt worden war. Ich holte mein Handy aus der Tasche, um die
Polizei zu rufen, und trat zum Schreibtisch, da der Computer lief. Auf dem
Monitor blinkte der Cursor. Ich las: Schön, dass Sie sich
die Zeit genommen haben, vorbeizuschauen, Herr Frings. Wie Sie sich sicher
denken können, ist das hier ein Tatort. Und da sollte der Täter doch nicht
fehlen, meinen Sie nicht?
Herr Frings, dachte ich, und im selben Moment: Wie konnte ich nur so
blöd sein! Und dann – genauer gesagt: Auch das geschah in diesem einen Moment –
packte mich jemand von hinten und drückte mir etwas Weiches auf die Nase. Es
roch nach Medizin oder Alkohol oder beidem. Ein oder zwei Sekunden später war
ich weg.
Ich wachte davon auf, dass mich jemand ohrfeigte. Links und
rechts. Und dann noch mal. Es klatschte richtig und brannte. Ich blinzelte.
»Lassen Sie das gefälligst«, sagte ich und öffnete die Augen.
»Er ist wach«, sagte eine Polizeibeamtin und trat einen Schritt
zurück.
Mein Kopf lag immer noch auf dem Schreibtisch. Die Erinnerung kam
schlagartig zurück. Es war Strumpfs Schreibtisch. In Strumpfs Wohnung. Und vor
mir stand jetzt Hauptkommissar Düsseldorf. »Schön, Sie wohlauf zu sehen«, sagte
er mit einem dünnen Lächeln. »Ich hätte nämlich ein paar Fragen.«
»Strumpf ist ermordet worden, nicht wahr?«, sagte ich.
Er nickte gnädig.
»Aber ich war es nicht.«
Der Kommissar seufzte. »In meiner langen Berufstätigkeit habe ich
noch nie einen Täter getroffen, der das nicht behauptet hätte.«
»Aber ich bin kein Täter«, sagte ich. »Sie kennen mich, Herr
Kommissar.«
»Das haben Sie aber vor einer guten halben Stunde noch ganz anders
gesehen.« Düsseldorf zeigte auf den Monitor.
Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Sicher
musste das, was ich getan habe, getan werden. Noteboom, Klamm, Strumpf. Sie
haben gesündigt, und ich bin das Schwert Gottes. Der Geist der Weihnacht. Aber
ich kann nicht mehr. Deshalb verzeiht mir meine
»Verzeiht mir meine was?«, fragte Düsseldorf. »Was wollten Sie
schreiben, Frings?«
»Ich habe das nicht geschrieben, das ist doch sonnenklar. Man hat
mich reingelegt. Mir eine Falle gestellt.«
»Natürlich.«
»Was soll das heißen, Herr Kommissar: Glauben Sie mir nicht?«
»Sie haben es also nicht geschrieben?«
»Ich bekam eine Nachricht von Strumpf. Er wolle sich mit mir treffen
und die Sache klären.«
»Welche Sache?«
»Die Mordsache, nehme ich an. Den Geist der Weihnacht.«
»Klar. Der Ermordete hat Sie demnach angerufen?«
»Ich kann Ihnen die SMS zeigen«, sagte
ich und kramte in meiner Hosentasche. Das Handy war nicht da. »Ich schwöre, ich
hatte es vorhin noch. Der Täter muss es gestohlen haben.« Ich nickte. »Klar,
das macht ja auch Sinn.«
»Natürlich«, sagte Düsseldorf zum wiederholten Mal.
Der Ton, in dem er das sagte, gefiel mir nicht.
»Er hat Sie also benachrichtigt, und Sie sind gekommen. Darf ich
fragen, wie Sie sich Zutritt zur Wohnung verschafft haben?«
»Die Haustür wurde mir geöffnet, und die Wohnungstür stand offen.
Hier im Arbeitszimmer habe ich den Toten erdrosselt vorgefunden.«
»Und dann haben Sie sich an den Schreibtisch gesetzt und auf dem
Computer geschrieben.«
»Nein, Herr Kommissar. Da stand nicht das, was da jetzt steht,
sondern etwas von wegen ›Ätsch, ich hab Sie reingelegt‹. Der Täter hat darauf
gewartet, dass ich mich hinsetze, um das zu lesen. Dann hat er mich von hinten
festgehalten und betäubt.«
»Womit, wenn ich fragen darf?«
»Mit einem Betäubungsmittel. Chloroform oder so etwas. Keine
Ahnung.«
»Natürlich nicht.«
»Was wollen Sie damit sagen, Herr Kommissar?«
»Nichts, Herr Frings, keine Sorge. Nur, dass wir hier leider nichts
gefunden haben, das auf den Einsatz eines solchen Mittels hindeutet.«
»Weil es eine Falle war, deshalb! Sie sollen ja denken, dass ich der
Mann bin, der diese Morde begangen hat.«
»Völlig klar«, sagte Düsseldorf in einem Ton, der mich jedes
einzelne Brötchen, das ich ihm ausgegeben hatte, bereuen ließ.
»Darf ich Sie dann vielleicht mal etwas fragen«, entgegnete ich
aufgebracht. »Wie kommt es denn, dass die Kripo so schnell hier war? Wer hat
Sie benachrichtigt?«
»Wir haben eine SMS bekommen.«
»Wusste ich’s doch. Der Absender?«
»Anonym. Ein
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