Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
ein Serientäter sein, dann
brauchst du streng genommen nur abzuwarten.«
    Ich war mir inzwischen ziemlich sicher, dass das, was wie Käse aussah,
keiner war. Aber ich hatte auch keine Idee, was es sonst sein konnte, also aß
ich vorsichtshalber nicht weiter. »Soll das ein Witz sein?«
    »Auch das ist schließlich eine uralte Profiler-Weisheit: Die Kerle
wollen gefasst werden. Sie suchen sich jemanden aus. Vielleicht bist du ja
dieses Mal der Glückliche?«
    Mein Handy klingelte. Ich angelte es aus der Tasche und las auf dem
Display: SMS empfangen .
Ich drückte auf Nachricht öffnen .
    Lassen Sie uns die Sache klären, am besten
jetzt gleich. Kommen Sie allein (!) Ich erwarte Sie. Strumpf.
    »Irgendetwas Wichtiges?«, erkundigte sich Gorbitsch neugierig.
    »Nur Spam«, sagte ich und steckte das Mobiltelefon weg. »Nirgendwo
ist man davor sicher.«
    Auch Gorbitsch hatte seine Mahlzeit vorzeitig beendet, legte die
Überreste des Sandwichs auf den Teller und wischte die Hände an seiner Hose ab.
»Was denkst du, gehen wir noch wohin? So wie in alten Zeiten?«
    »Ein anderes Mal«, sagte ich und stand vom Tisch auf. »Aber du
könntest mich an der Promenade absetzen.«
    »An der Promenade? Was hast du denn noch vor?«
    »Bewegung und frische Luft«, sagte ich und grinste breit. »Hat mir
der Arzt verschrieben.«
    »Blödsinn.«
    »Na schön, Gorbitsch. Die Wahrheit ist: Der Kerl will tatsächlich
gefasst werden, du hattest wieder mal recht. Und er hat mich ausgewählt. Was
hältst du davon?«
    »Blödsinn, sag ich doch.«

24
    Wie andere Stadtviertel mit vorwiegend besser verdienender
Bevölkerung fiel auch das Kreuzviertel zunächst durch ästhetisch schöne
Bebauung und reichlich Grünflächen auf. Aber auch durch eine höhere Dichte an
Golden Retrievern als sonst wo. Familyvans, jene privaten Schulbusse, mit denen
Familien mit zwei Kindern aktiv zum Klimawandel beitrugen, waren äußerst
beliebt und wurden moralisch gern mit streng biologisch-dynamischen Gemüseabos
und Brot aus dem Steinofen gegenfinanziert. In diesen schmucken Altbauwohnungen
mit Musikzimmern und begehbaren Schränken hatten grüne Eltern ihren Nachkommen
eine Luxuskindheit mit allen Schikanen ermöglicht. Eben jenen Nachkommen, die
sich heute für globale Konsumfreiheit starkmachten. So erwiesen sich solche
Gegenden als wahre Brutkästen liberaler Gesinnung.
    Um diese nachtschlafende Zeit aber war das Kreuzviertel ein ganz
normaler Stadtteil kurz vor Weihnachten. Lichterketten leuchteten drinnen und
draußen, grellbunte Weihnachtsmänner grinsten allenthalben in den Fenstern, und
Elche tauchten Vorgärten in grelles Licht – nicht gerade niveauvoll, aber auch
nicht die übliche Massenware vom Discounter.
    Die Wohnung des Parteivorsitzenden der Autofahrerpartei befand sich
in idealer Lage, fernab vom Lärm der Grevener Straße, einen Katzensprung sowohl
von Kreuzkirche als auch Promenade entfernt. Ich klingelte. Oben betätigte
jemand den Türöffner. Während ich die ausgetretene Steintreppe hinauflief, kam
mir Franz Schuberts altertümliche Vorstellung in den Sinn, dass Privatdetektive
immer bewaffnet seien. In Situationen wie diesen konnte so eine Knarre
tatsächlich nützlich sein.
    Dieser Auffassung neigte ich noch mehr zu, als ich die Wohnungstür
unverschlossen vorfand. Vorsichtig drückte ich sie auf. In einem der Zimmer am
Ende des Flures war Licht. »Strumpf?«, rief ich mit gedämpfter Stimme. »Wo
stecken Sie?«
    Es war sonnenklar, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Aber es gab
nur einen Weg herauszufinden, was. Auf Zehenspitzen schlich ich den mit
Teppichboden ausgelegten Flur entlang. Passierte eine Küche und ein
Schlafzimmer. Mein Blick streifte das säuberlich gemachte Bett und zwei
ältliche Pantoffeln auf dem Fußboden. An der Wand neben der Tür zum
erleuchteten Arbeitszimmer hingen kleine Stofftäschchen, vierundzwanzig an der
Zahl und verbunden durch eine Art Geschenkband. Ein Adventskalender. In jeder
Tasche steckte ein Spielzeugauto, nur in der vom heutigen Tag nicht. Ich
entnahm ihr eine Weihnachtskarte, die einen Blick über die verschneiten Dächer
der Innenstadt zeigte, mit dem Dom im Vordergrund und dem Schloss am Horizont.
Auf der Rückseite stand: Wehe dir, der du predigest,
Eigennutz sei das Maß aller Dinge. Und dass man mit Unverschämtheit davonkomme.
Ich sage dir: Du kämest auch davon, gäbe es mich nicht. Erwarte noch heute den
Geist der blutigen Weihnacht.
    Das hörte sich nicht gut an. »Strumpf«, raunte

Weitere Kostenlose Bücher