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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sagte ich grinsend. »Nur damit
Sie sehen, wie diskret ich vorgehen kann.«

26
    Endlich wieder in Freiheit!, dachte ich erleichtert, als
ich kurz nach zwölf die Strafvollzugsanstalt verließ und milde Winterluft
einatmete. Sie war wirklich sehr mild. Der Schneematsch hatte sich über Nacht
bis auf ein paar jämmerliche Pfützen aufgelöst. Grün und verregnet lag die
Promenade da. In zwei Tagen war Weihnachten, und der Frühling machte sich schon
bereit.
    Zu Hause traf ich Svedlana. Sie trug ein weißes T-Shirt und eine
hautenge hautfarbene Sporthose. »Wo hast du gesteckt?«, fragte sie. »Ich habe
gestern Abend auf dich gewartet.«
    »Im Knast«, sagte ich. »Und du? Wie war’s bei Gorbitsch?«
    »Na schön, ertappt, ich habe nicht auf dich gewartet. Aber können
wir heute Abend darüber reden?« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich bin
gerade auf dem Sprung zum Joggen.«
    »Natürlich«, sagte ich. »Und danach erst mal duschen, was?«
    »Wie wär’s mit neun Uhr?«, schlug sie vor. »Zum Weihnachtsessen. Ich
koche für dich und wir machen es uns ein bisschen gemütlich.«
    Das hörte sich nicht schlecht an. »Also gut, warum nicht?«, sagte
ich und wollte über die nötigen Einkäufe sprechen, aber sie war schon aus der
Tür.
    Zum zweiten Mal an diesem Tag dachte ich an Hauptkommissar
Düsseldorf und seinen Schwiegervater, den Literaturprofessor. Dabei war mir
natürlich klar, dass es sich bei diesem Herrn mit großer Wahrscheinlichkeit um
ein Phantom handelte, das noch unwirklicher war als der Geist der Weihnacht.
Nur deshalb erfunden, weil man nicht zugeben wollte, dass man selbst ein Fan
von »Mamas Muschi« war. Vielleicht nicht nur des Buches, sondern auch der
Autorin. Und war das so, dann würde man Susann Bolzenius, die zweifellos eine
Menge auf dem Kasten hatte, schlichtweg überfordern, wenn man ihr die Unschuld
zutraute, Düsseldorfs dergestalte Neigung nicht für sich auszunutzen.
Bolzenius, die politische Konkurrentin des ermordeten Strumpf. So einiges
schien auf sie zu deuten. Meine rachsüchtige Klientin, die das von Anfang an
gedacht hatte, konnte voll und ganz zufrieden sein.
    Ich machte mich auf die Suche nach dem Telefonbuch, konnte es aber
nirgends auftreiben. Also sah ich auf der Website nach. Außer Frau Bolzenius’
Telefonnummer erfuhr ich, dass die Autorin heute Nachmittag im Kreativ-Haus an
einer vorweihnachtlichen Veranstaltung zum Thema »Literarisches zum Fest der
Liebe« teilnehmen würde. Da sich unter ihrer Nummer niemand meldete, machte ich
mich auf den Weg. Der Veranstaltungsort lag ja praktisch um die Ecke.
    Das Kreativ-Haus war eine der ersten Adressen der Stadt in
Sachen Selbstverwirklichung als Hobby. Tanzkurse, Malkurse, Theaterkurse,
Poetry-Slam-Kurse, Trommelkurse und Zauberkurse – ein breit gefächertes
Angebot, das dazu antrat, selbst das langweiligste Leben mit einem Funken
Kreativität aufzupeppen. Manchmal gab’s auch Theater, hin und wieder Kabarett
und zu Weihnachten besinnliche Veranstaltungen. Oder auch weniger besinnliche
so wie heute: eine Podiumsdiskussion zu der Frage »Wie politisch ist erotische
Literatur?«. Teilnehmer waren eine Kinderbuchautorin, ein örtlicher
Buchhändler, ein Politikwissenschaftler und die berühmte Susann Bolzenius. Ihre
Bücher konnte man schon vorher kaufen, also erstand ich eins.
    Bis zur Veranstaltung war aber noch eine halbe Stunde Zeit. Gerade
hatte ein Reisejournalist, der über Liebesriten auf Madagaskar referiert hatte,
die Bühne verlassen, um einem Pastoraltheologen Gelegenheit zu geben, seine
Weihnachtslyrik vorzustellen, musikalisch untermalt von der Patientenselbsthilfe
der Klinik für Psychiatrie.
    Auf der Suche nach Frau Bolzenius folgte ich dem Flur, der sich
hinter dem Veranstaltungssaal öffnete. Und wurde fündig. Vor einem der hinteren
Räume hielt jemand Wache. Ich erkannte den blondschopfigen Schnösel von der Lesung.
    »Hier geht es nicht weiter«, sagte er.
    »Ich komme nicht in einer erotischen Angelegenheit«, sagte ich. »Es
ist etwas Kriminalistisches. Deshalb muss ich Frau Bolzenius sprechen.«
    Er musterte mich eingehend. »Ich denke nicht, dass sie für Sie Zeit
hat.«
    »Was Sie denken, ist auch nicht die Frage.«
    Der Schnösel baute sich vor mir auf. Er war ein Leichtgewicht und
reichte mir gerade bis zum Kinn. »Ich bin ihr Agent«, sagte er. Abgesehen von
seinem penetranten Parfum schien keine Bedrohung von ihm auszugehen. Trotzdem,
der Mann hatte etwas kinskihaft Verschlagenes. »Sie

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