Tod vor der Morgenmesse
tötete.«
Das Gemurmel ging in offene Empörung über.
Abt Erc mußte ziemlich laut sprechen, um sich Gehör zu verschaffen. »All diese Anschuldigungen wirst du beweisen müssen.« Er hatte immer noch seine Zweifel.
»Selbstverständlich. Ich kann alles belegen. Nicht einen Beweis werde ich dir schuldig bleiben.«
Conrí war nur noch ein paar Schritte von Slébéne entfernt, aber der Stammesfürst der Corco Duibhne war bereits aufgesprungen.
Er zog ein kurzes Schwert, das er unter dem Mantel verborgen hatte.
»Zeit für einen strategischen Rückzug, Uallach!« rief er.
»Mach keinen Unfug, Slébéne!« schrie Conrí, der sein Schwert gleichfalls gezückt hatte. »Du hast keine Chance, von hier zu entkommen.«
»Nein? Schau doch mal zu den Fenstern, mein Freund«, höhnte er. »Dort siehst du Pfeile, die auf Fidelma von Cashel und den Abt gerichtet sind. Wer versucht, uns am Verlassen des Gebäudes zu hindern, bezahlt es mit dem Tod. Laß dein Schwert sinken, Conrí, und befiehl deinen Kriegern, die Tür freizugeben. Und wehe, du versperrst mir den Ausgang. Fidelma büßt es mit ihrem Leben.«
Verängstigt spähten alle zu den Fenstern auf beiden Seiten der Kapelle. Tatsächlich konnte man durch die Schlitze zwei von Slébénes Kriegern mit gespannten Bogen erkennen, die |440| ihre Pfeile unverwandt auf die genannten Ziele richteten. Einer von ihnen war der rothaarige Kämpe.
Conrí zischte ärgerlich, ließ seine Waffe sinken und trat einen Schritt zurück.
»Befiehl deinen Männern, von der Tür wegzugehen.«
Conrí leistete der Aufforderung Folge, und zögernd legten die Krieger die Waffen ab und gaben die Tür frei.
Schwester Buan, die Frau, die Fidelma als Uallach entlarvt hatte, starrte sie haßerfüllt an. Sie schien es nicht eilig zu haben, die Kapelle zu verlassen.
»Komm, Uallach!« brüllte Slébéne. »Mach schnell!«
»Töte sie!« schrie die Frau los. »Töte sie alle!«
Der Abt zuckte zusammen und schloß die Augen; er sah das Ende gekommen und schien nur noch auf den tödlichen Pfeil zu warten. Fidelma hingegen wankte nicht und widerstand Uallachs Drohgebärden mit eisernem Blick.
Zum Glück hatte Slébéne die Befehlsgewalt, und seine Krieger warteten auf seine Entscheidung. Ihm war klar, daß Fidelma und der Abt zwar sterben würden, wenn seine Männer die Pfeile abschossen, er selbst aber kaum eine Chance hätte, ins Freie zu gelangen. Das hätte unweigerlich seinen eigenen Tod bedeutet; der Preis war zu hoch, und so gab er nicht den Befehl zu schießen. Statt dessen ging er ein paar Schritte nach vorn und packte Schwester Buan am Arm.
»Überleg, was du sagst, Uallach! Wenn wir sie töten, kommen wir hier nie mehr raus. Wir müssen fort, müssen zurück zur Festung und unsere Heeresmacht aufstellen. Eine andere Möglichkeit bleibt uns nicht. Komm rasch, solange uns meine Schützen noch decken können. Mit denen hier rechnen wir später ab.«
Widerwillig ließ sich Schwester Buan oder besser Uallach durch den Gang zur Tür der Kapelle ziehen.
|441| »Sag deinem Mann, er soll die Tür aufsperren«, grölte Slébéne, als sie sich ihr näherten.
Conrí gab Socht einen entsprechenden Wink.
Mißmutig gehorchte der Krieger. In leicht gebeugter Haltung zog er den einen Türflügel auf; den Moment nutzte Slébéne und hieb mit dem Knauf seines Schwertes so heftig auf dessen ungeschützten Kopf, daß Socht lautlos zusammensackte.
Slébéne und Uallach verschwanden durch die Tür und schlossen sie hinter sich. Die Zurückgebliebenen hörten, wie sie zuschlug und daß von außen etwas dagegengerammt wurde. Dann zogen sich auch die beiden Schützen von den Fenstern zurück. Conrí griff sein auf der Erde liegendes Schwert, stürzte nach vorn, rief jemandem zu, sich um Socht zu kümmern, der versuchte, das Blut am Kopf zu stillen, und rüttelte an der Tür. Die beiden anderen Krieger sprangen ihm zur Hilfe, aber auch die Kraft von dreien half nicht, die Tür zu öffnen. Sie war von außen fest verrammelt.
In der Kapelle erhob sich ein Tumult. Fidelma mahnte mit lauter und klarer Stimme zu Ruhe und Ordnung. Dann hörte man Hufschläge. Sie und Eadulf eilten an Conrís Seite.
»Die jagen zu ihrem Kriegsschiff«, stellte Fidelma fest. »Wird Tadcán mit ihnen fertig werden? Kann man ihn irgendwie warnen?«
Conrí grinste und nahm von seinem Gürtel ein kleines Horn, das dort an einen Riemen hing. Er ging zum Fenster und führte das Instrument an die Lippen. Der Ton war lang und schrill.
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