Tod vor der Morgenmesse
Dreimal blies er hinein. Inzwischen hatten sich draußen ein paar Brüder und Schwestern der Kapelle genähert; der Aufruhr, der von dort kam, hatte sie neugierig gemacht. Sie entfernten die Pfähle, mit denen man die Tür verkeilt hatte.
|442| Conrí bekam einen aufgeregten Bruder mit rotem Gesicht zu fassen und fragte ihn, wohin Slébéne mit seinen Begleitern entschwunden war.
»Sie haben das Kloster durch das Haupttor verlassen, Herr. Sie waren alle beritten und haben wohl den Weg zur Küste genommen.«
»Dann kann uns nur Tadcán retten«, murmelte Fidelma.
Conrí hob noch einmal das Horn an die Lippen und blies drei schrille Töne in die stille Winterluft. Er lauschte, und dann hörten sie aus weiter Ferne, wie drei Hornstöße Antwort gaben.
Mit triumphierendem Lächeln drehte sich der Kriegsherr zu Fidelma und Eadulf um.
»Er hat uns gehört und wird sie gebührend empfangen.«
Fidelma schaute sich um und erblickte Bruder Cú Mara. »Schnell, hol unsere Pferde!« rief sie ihm zu.
Der Verwalter war etwas ratlos. Doch Socht, der sich langsam von dem Schlag auf den Schädel erholte, kam – gestützt von den beiden anderen Kriegern – aus der Kapelle. Sie hörten, was Fidelma sagte und eilten in die Ställe. Minuten vergingen, während Fidelma und Conrí ungeduldig warteten. Dann kamen die Krieger zurück und brachten die Pferde.
Kurz darauf preschte Conrí aus dem Tor der Abtei, gefolgt von Fidelma und Eadulf. Der wackere angelsächsische Mönch klammerte sich angstvoll an die Zügel. Einen solchen Galopp war er nicht gewohnt. Socht und seine Mitstreiter waren noch im Kloster, sie blieben zurück. Sie mußten sich erst ein paar Gäule besorgen.
Fidelma ritt mit dem Kriegsherrn auf gleicher Höhe. »Was, wenn sie in Kämpfe verwickelt sind, ehe wir dort anlangen?«
»Du kennst Slébéne nicht«, schrie ihr Conrí zu. »Der |443| kämpft bestimmt nicht. Er wird sich auf sein Schiff retten und sich hinter seine Leute verschanzen.«
»Aber er muß doch mitbekommen haben, daß Tadcán gewarnt worden ist.«
Conrí hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten. Schweigend ritten sie weiter. Als sie sich dem Hafen näherten, stieg Rauch auf – ein sicheres Zeichen, daß Slébéne und Tadcán aneinandergeraten waren. Nicht lange, und sie ritten über den Hügel und hinunter zur Bucht.
Im Hafen stand ein Schlachtschiff in Flammen. Es war noch am Kai vertäut. Einige Handelsschiffe wurden gerade von kleineren Booten aus der Gefahrenzone geschleppt. Weiter draußen vor der Einfahrt zur Bucht lagen noch zwei Kriegsschiffe. Krieger rannten am Ufer hin und her. Auch etliche Leichen lagen umher.
Conrí bedeutete Fidelma zu warten, während er die Lage erkunden wollte. Widerstrebend hielt sie ihr Roß an; Eadulf holte sie ein und brachte sein Pferd neben ihr zum Stehen. Gemeinsam beobachteten sie, wie Conrí mit dem blanken Schwert in der Hand hinunter zum Ufer gallopierte.
Ein Krieger kam ihm entgegengerannt, auch er mit dem Schwert in der Hand. Conrí zügelte sein Pferd und schien den Mann zu begrüßen. Er drehte sich zu ihnen um und winkte den beiden, herunterzukommen.
»Das ist Tadcán, Herr auf Baile Tadc«, sagte er fröhlich. »Gute Nachrichten. Erzähl, Tadcán.«
Der Krieger, ein breitschultriger, stattlicher junger Mann mit blondem Wuschelkopf, begrüßte sie.
»Die Geschichte ist bald erzählt«, begann er aufgeräumt. »Wir hörten Fürst Conrís Signal, das ich mit Socht verabredet hatte. Wir wußten, da war etwas im Busch. Und so beschlossen wir, einer möglichen Gefahr zuvorzukommen, und griffen |444| Slébénes Kriegsschiff an. Der Kapitän wich einem Kampf nicht aus, also mußten wir sein Gefährt in Brand schießen. Ich kenne Slébéne; mir kann er nichts vormachen. Von einem fairen Kampf hält er nichts. Daher zögerte ich nicht lange. Und ich hatte recht, wie sich herausstellte. Unter Deck warteten nicht wenige Krieger auf uns, aber wir wurden mit ihnen fertig.
Wir waren noch im Handgemenge, da kommt Slébéne mit zwei Kriegern und einer Klosterfrau. Sie fielen über uns her, und wir setzten uns zur Wehr.«
Er lachte rauh auf.
»Wirklich, der Stammesfürst der Corco Duibhne war kein großer Kämpfer, und als wir seine beiden Männer erledigt hatten, vor allem den rothaarigen Kämpen, war er vor Angst wie von Sinnen. Statt sich zu ergeben, wollte er vom Kai über die Reling auf sein Schiff. Der Sprung mißlang, er rutschte ab und stürzte ins Wasser. Doch gerade da hob die
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