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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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mitgenommen in die Berge?«
    Schwester Buan schüttelte den Kopf.
    »Ich wurde als Pflegekind zu den Corco Duíbhne geschickt, und deren Fürst nahm sich meiner an. Man trichterte mir ein, ich dürfte nie mehr in die Hügelfestung meines Vaters zurückkehren und auch nicht meine Halbbrüder um Hilfe angehen. Ich habe mich daran gehalten. Als ich die Pflegeeltern verlassen konnte, entschloß ich mich, Sicherheit im Klosterleben zu suchen. So kam ich in die Abtei und habe zwei Jahre lang all die niederen Arbeiten verrichtet, die kein anderer machen wollte. Dann fand der Abt heraus, daß ich nicht ungeschickt im Verhandeln mit den Kaufleuten war. Fortan durfte ich die Erzeugnisse unserer Kunsthandwerker an die Händler der weiteren Umgebung verkaufen. So fing ich an, die Abtei Colmán aufzusuchen und mich sogar nach Norden bis zum Loch Derg zu begeben. Ich reiste allerdings nicht oft, so |145| daß ich weiterhin verschiedene Aufgaben in der Abtei hatte. Und schließlich kam es dazu, daß ich für Cináed arbeitete, und es gefiel mir bei ihm. Ich habe ihn bei Krankheiten gepflegt, aber auch für ihn gesorgt, wenn er gesund war. Als er dann anbot, unsere Beziehung rechtskräftig zu machen, war ich restlos glücklich.«
    »Wußtest du, daß man ihn allenthalben für einen bedeutenden Gelehrten hielt?« fragte Fidelma.
    »Ich wußte, daß er sich selbst für einen müden und gebrechlichen alten Mann hielt, der mitunter jemand brauchte, der ihm die Brust mit duftenden Ölen einrieb, um die kalten Ausdünstungen der Nacht fernzuhalten.«
    »Aber du wußtest doch, daß man seine Arbeiten äußerst wertschätzte?«
    »Was ich weiß, ist, daß einige in der Abtei hier keineswegs seine Arbeiten äußerst wertschätzten«, berichtigte sie die Fragestellerin.
    »Du meinst den Ehrwürdigen Mac Faosma?«
    »Ja, den und seine Anhänger.«
    »Ließen sie euch ihre Feindseligkeit spüren?«
    »Du kennst gewiß das Sprichwort: drei Dinge kommen ungebeten – Liebe, Eifersucht und Angst. In diesen Wänden hier haben sich alle drei getummelt.«
    »Auch Angst?«
    »Am Tag vor seinem Tod vertraute Cináed mir an, daß er sich fürchtete.«
    Fidelma machte große Augen. »Er fürchtete sich? Wovor?«
    Schwester Buan seufzte betrübt. »Darüber weiß ich leider nichts Genaues.«
    »Kannst du dich erinnern, was er sagte? Wie machte sich seine Furcht bemerkbar?«
    Hilflos spreizte Schwester Buan die Hände. »Nach der |146| Abendmahlzeit im Refektorium kam er geängstigt und voller Sorge zurück … Es war eines der feierlichen Essen, bei denen er zugegen sein mußte. Meistens hat er einfach hier im Zimmer mit mir gespeist, wegen seines Alters war ihm das gestattet.«
    »Aus deinen Worten schließe ich, daß du nicht an dem Festmahl teilgenommen hast. Gab es einen Grund?«
    »Ich fühlte mich nicht wohl. Hatte eine Magenverstimmung.«
    »Ah so! Erzähl weiter!«
    »Ich erinnere mich, daß ich mir Wasser holen wollte und an dem Fenster da vorbeikam …« Sie wies quer durch den Raum auf ein Fenster, das auf einen kleinen Innenhof ging. Führte von dem nicht ein Zugang zu Mac Faosmas Studierzimmer? Fidelma sprang auf.
    »Entschuldige, Schwester Buan. Welches ist die Tür zu den Gemächern des Ehrwürdigen Mac Faosma?«
    »Die Tür dort genau gegenüber.«
    »Danke. Fahre fort. Du bist an dem Fenster vorbeigekommen und …?«
    »Es war natürlich dunkel, aber im Innenhof brennen nachts Fackeln. Ich sah Cináed aus dem Torbogen rechts treten … Von dort geht es zum Refektorium. Er bewegte sich langsam, redete aber mit jemandem erregt.«
    »Hast du erkennen können, wer es war?« erkundigte sich Eadulf.
    »Schwester Uallann.«
    »Die Heilkundige?«
    »Ja, die«, bestätigte sie. »Sie schienen sich zu streiten, wenn auch in gedämpftem Ton. Schwester Uallann warf die Hände in die Luft, wie um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Sie kann sich ganz schön theatralisch gebärden. Ein seltsames Weib ist das, gerät oft mal in Wut. Ich hatte den Eindruck, |147| Cináed brach das Gespräch ab, denn er drehte sich weg und schritt auf unsere Tür zu.«
    »Was hat er zu dir gesagt?« wollte Fidelma wissen.
    »Nichts.«
    Fidelma stutzte. »Nichts? Du hattest doch gesehen, daß er sich stritt. Du hast gesagt, er kam geängstigt zurück … Weswegen? Er fürchtete sich … Vor wem? Vor Schwester Uallann?«
    »Ich sah, daß er aufgeregt war. Natürlich fragte ich ihn, was los gewesen sei, und sagte ihm, was ich durch das Fenster gesehen hatte. Doch er meinte,

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