Tod vor der Morgenmesse
zu eigen machen. Ginge es danach, müßten wir alle nach den Regeln des Zölibats leben.«
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete Eadulf. »Ich wundere mich nur, daß …«
»Dann kann dich ja nur stören, daß Cináed ein, zwei Generationen älter war als ich.« Die Frau warf ihm den Fehdehandschuh hin.
»Nein, ich wundere mich lediglich, daß uns niemand etwas über deine gesetzlich verbürgte Stellung zu dem Verstorbenen gesagt hat«, erklärte Eadulf in aller Ruhe.
|142| »Wir sind beileibe nicht hier, um uns als Sittenrichter aufzuspielen, Schwester Buan«, bekräftigte Fidelma.
»Buan – das klingt kriegerisch, nicht wahr?« sprach Eadulf weiter, bemüht, der Frau seine lauteren Absichten verständlich zu machen. »Heißt das nicht ›die Siegreiche‹?«
»Nein, Bruder aus Anglia. Der Name bedeutet ›ausdau ernd ‹ oder vielmehr ›erduldend‹.« Und sofort stellte sich ihre Leidensmiene wieder ein.
»Wie lange warst du Cináeds Ehefrau?« erkundigte sich Fidelma.
»Fünf Jahre.«
Fidelma fand es merkwürdig, daß niemand in der Abtei darüber ein Wort verloren hatte, daß Cináed eine Witwe hinterließ.
»Ich vermute, Kinder sind aus eurer Vereinigung nicht hervorgegangen?« fragte Eadulf.
Schwester Buan bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick. »Nein, wir sind nicht mit Kindern gesegnet. Der arme Cináed war nicht fähig, Vater zu werden, als wir uns entschieden, miteinander zu leben. Es ging uns auch mehr um die Gemeinsamkeit und das Für-einander-Dasein, als wir unseren
lánamnus,
den Ehekontrakt, schlossen. Selbst wenn es möglich gewesen wäre, Kinder werden höchst ungern in der Abtei geduldet.«
»Wie lange hast du Cináed näher gekannt?«
»Sieben Jahre. Cináed war schon hier, als ich in die Klostergemeinschaft kam, aber wirklich kennengelernt habe ich ihn erst, als ich für ihn gearbeitet habe.«
»Und du bist in dieser Glaubensgemeinschaft … seit wann?«
»Seit über zwanzig Jahren.«
»Was hat euch einander nähergebracht?«
Die schmächtige Frau zuckte die Achseln.
|143| »Er brauchte jemanden, der seine Wohnräume sauberhielt. Wegen seines Ansehens als Gelehrter genoß er einige Privilegien. Auch mußte er auf Grund seines Alters und seiner Studien keine körperliche Arbeit verrichten, und man bewilligte ihm sogar einen Gehilfen. Es gab nur zwei Gelehrte, denen ein solches Vorrecht eingeräumt wurde. Er war einer von ihnen.«
»Der andere dürfte der Ehrwürdige Mac Faosma sein«, schlußfolgerte Eadulf mit saurer Miene.
»So ist es. Ihm geht Bruder Benen zur Hand.«
Fast klang es wie ein Tadel. Fidelma schaute sie fragend an. »Mißfällt dir das?«
»Was ein Mann in seinem Privatleben tut, geht mich nichts an«, erwiderte sie gleichgültig, aber was sie damit hatte sagen wollen, war offensichtlich.
Wieder warf Fidelma ihrem Begleiter einen Blick zu, diesmal mit einem vagen Kopfschütteln.
»Du hattest also begonnen, bei Cináed sauberzumachen, und so seid ihr euch nähergekommen?«
»Genauso war es.«
»Und du hast mit der Zeit an seiner Arbeit Anteil genommen?« erkundigte sich Eadulf.
Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
»Seine Arbeit? Davon habe ich nichts verstanden. Wie sollte ich? Ich bin doch nicht gebildet.« Sie hielt ihm beide Hände hin. »Das sind nicht die Hände einer Lateinkundigen, Bruder Angelsachse.«
Eadulf schaute hin. Sie waren rauh und voller Schwielen.
»Was kann ein Gelehrter an jemandem wie mir schon finden?« Ohne Bitterkeit stellte sie die Frage in den Raum, und als niemand darauf einging, redete sie weiter: »Menschen brauchen zuweilen Gemeinsamkeit, und das nicht nur für den |144| hochgeistigen Disput. Cináed brauchte jemanden, der ihn pflegte, ihn versorgte und das Nötige für ihn beschaffte.«
Eadulf fühlte sich unbehaglich, doch sie fuhr fort, schien ihn nicht zu beachten.
»Ich wußte, daß ich im Geistigen Cináed keine Partnerin sein konnte, aber er war ein großartiger Mensch. Ich kam hierher, um der Armut zu entfliehen.« Jetzt mischte sich Bitterkeit in ihre Worte. »Mein Vater hatte mich verstoßen, nachdem er sich von meiner Mutter scheiden ließ, die seine zweite Frau war.«
Fidelma lauschte gespannt. »Aus welchem Grund hat er sie verlassen«
»Weil sie ihren Ehevertrag brach, als sie sich in einen jungen Mann verliebte, so wurde es mir jedenfalls erzählt. Aus Furcht vor meinem Vater flüchtete sie in die Berge, dort soll sie dann umgekommen sein.«
»Das heißt, sie hat dich nicht
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