Tod vor der Morgenmesse
herausgestellt, daß jemand die Handschrift, die er sich aus der
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hat holen lassen, Cináeds politisches Traktat nämlich, nach dem
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vorsätzlich in seinem Studierzimmer verbrannt hat.«
Eadulf machte große Augen.
»Willst du damit sagen, er hätte sie verbrannt?«
»Ich stelle lediglich den Sachverhalt fest. Ich beschuldige niemanden … Noch nicht.«
Abt Erc machte nun einen vollends geplagten Eindruck.
»Der Ehrwürdige Mac Faosma ist ein Gelehrter. Weshalb sollte er ein Buch verbrennen wollen?«
Fidelma sah ihn mitleidig an.
»Er ist nicht gerade das, was man einen Bewunderer Cináeds nennen würde«, erklärte sie nicht ohne einen Anflug von Spott. »Und just die genannte Schrift scheint den alten Mann aufgebracht zu haben.«
»Was verlangst du jetzt von mir?«
»Vorläufig nichts. Der Ehrwürdige Mac Faosma stellt sich quer und ist nicht gewillt, meine Nachforschungen gutzuheißen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß ich mich inzwischen weiter umtun und dafür interessieren werde, was hier geschehen ist. Morgen brechen wir ohnehin auf, um dem Schicksal der vermißten Mitglieder des hiesigen Ordens nachzugehen.«
Fast hatte es den Anschein, als reagiere der Abt bei dieser Auskunft etwas erleichtert, aber er wurde sogleich wieder ernst.
|137| »Heißt das, du hast es aufgegeben, den Täter ausfindig zu machen, der den Ehrwürdigen Cináed ermordet hat?«
Unmißverständlich schüttelte sie den Kopf.
»Keinesfalls. Ich gedenke nur, die Nachforschungen von einer anderen Ecke her zu betreiben. Vor dem Abendessen heute suche ich dich in deinem Gemach auf und informiere dich über den letzten Stand der Dinge.«
Der Abt zögerte, begriff dann aber, daß seine Gegenwart nicht länger erwünscht war. Mit einer angedeuteten Verneigung drehte er sich um und schlurfte davon.
Eadulf war im Begriff etwas zu sagen, doch Fidelma legte einen Finger an die Lippen und wies mit dem Kopf zur geschlossenen Tür der Studierstube. Mit einem Blick zu Conrí meinte sie: »Vielleicht findet sich ein angenehmeres Plätzchen zum Reden.«
Conrí führte sie durch den Gang zu einer Seitentür und von dort weiter zur Kapelle. Sie stand leer, doch Kerzen brannten und nahmen etwas von der Finsternis. Auf einer Bank in einer Ecke ließen sie sich nieder.
»Wie sieht’s aus? Erzähle!« verlangte Eadulf.
Fidelma faßte ihr Gespräch mit dem Ehrwürdigen Mönch zusammen.
Wieder war es Eadulf, der das darauffolgende kurze Schweigen beendete.
»Du glaubst also, dieser Mac Faosma hat Cináeds Buch genommen und verbrannt, weil er konträrer Auffassung war?«
»Möglich wäre es.«
»Und wenn er zu solch einer Tat fähig ist, könnte er es auch fertiggebracht haben, Cináed umzubringen?«
Sie nickte mit verbissenem Gesicht.
»Auch das wäre möglich. Doch der bloße Verdacht reicht nicht. Soviel steht fest, er ist ein hartnäckiger Anhänger der Uí |138| Fidgente und deren Stammesfürsten Eoganán.« Sie wandte sich Conrí zu. »Ich weiß, daß du wie mancher andere um ein friedliches Miteinander bemüht bist, aber jetzt spreche ich einmal als
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weniger als eine Eoghanacht. Ich habe das Gefühl, daß auch seit Eoganáns Tod bei Cnoc Aine sich immer noch viele vom Stamm der Uí Fidgente gegen die Herrschaft meines Bruders stemmen.«
Ihre Feststellung machte Conrí verlegen.
»Ja, es sind viele, Lady. Ein starker Anführer, und die Stammesangehörigen würden sich rasch zusammenscharen und sich leicht zu erneuter Gewalt und Blutvergießen verführen lassen.«
»Und der Ehrwürdige Mac Faosma könnte so einen Führer abgeben?« fragte Eadulf.
Conrí verneinte. »Für solch einen Führer bräuchte es mehr einen Krieger, weniger einen Gelehrten. Und zudem einen aus der Linie des Bríon, eines unserer größten Fürsten. Mac Faosma, wie sein Name schon sagt, ist nicht adliger Herkunft. Seit Eoganáns schmachvollem Tod ist dessen Linie mehr oder weniger erloschen. Und Donennach, unser gegenwärtiger Stammesfürst, fühlt sich genau wie ich dem Frieden mit Cashel verpflichtet.«
»Was ich nicht verstehe, ist deine Anspielung auf Mac Faosmas Namen«, warf Eadulf ein.
Fidelma übernahm die Erklärung. »Der Name bedeutet so viel wie ›Sohn, der des Schutzes bedarf‹, und das heißt, daß er adoptiert wurde, weil es in seiner Blutsverwandtschaft niemanden mehr gab, der ihn hätte aufziehen können.«
»Genauso ist es. Um bei den Uí Fidgente genügend Ansehen zu genießen, um ihr Anführer
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