Tod vor der Morgenmesse
aufrichtig.«
»Aber welche? Schwester Buan oder Schwester Sinnchéne?«
»Unstimmigkeiten finden sich in beiden Berichten, die sie uns gegeben haben«, räumte Fidelma ein. »Im Augenblick aber kommt mir Sinnchéne verdächtigter vor. Hast du gesehen, wie sie in ihrer Bedrängnis die Hand nach Bruder Cú Mara ausstreckte?«
Eadulf verneinte. »Ich habe nur Cú Maras Gesicht beobachtet, wollte herausfinden, ob er lügt. Ehrlich war der nicht.«
»Er und auch sie haben etwas zu verbergen. Ich vermute, die gute Schwester Sinnchéne hat einen anderen Liebhaber gefunden, der in der Abtei Einfluß hat und sogar Ansehen genießt.«
Conrí war schockiert. »Du meinst, während andere glaubten, sie hätte ein Verhältnis mit dem Ehrwürdigen Cináed, hat sie gleichzeitig ein Techtelmechtel mit dem
rechtaire
gehabt?«
»Derartige Liebschaften sind nicht etwas gänzlich Neues«, meinte Fidelma sarkastisch. »Vielleicht hat das Verhältnis mit Bruder Cú Mara auch erst nach Cináeds Tod begonnen. Bedenk doch, das Mädchen ist jung und empfindsam. Vermutlich braucht es jemanden, der es leitet und stützt.«
»Aber …«
»Schluß jetzt. Unseres Bleibens darf hier nicht länger sein. Wir haben noch anderes zu tun. Wenn das Wetter es morgen zuläßt, segeln wir hinüber ins Gebiet der Corco Duibhne. Mir wäre zwar lieber, wir könnten die Dinge hier erst noch klären. Nur dürfte uns das nicht so schnell gelingen. Ein seltsames Gefühl sagt mir, daß diese Vorfälle irgendwie zusammenhängen. Aber noch haben wir nicht den richtigen Ansatz, um die |195| ineinander verschlungenen geheimnisvollen Vorgänge zu entflechten. Was hältst du davon, sollten wir vielleicht sogar den Turm von Uaman dem Aussätzigen aufsuchen?«
Conrí hielt nichts von dem Vorschlag. »Wir haben doch keinen weiteren Anhaltspunkt als die Aussage des Mädchens, daß Cináed Gerüchte über Uaman und seine Anhänger gehört hätte.«
Eadulf aber war dafür. »Wenn mich die Erinnerung nicht trügt, hatte Uaman nur wenige Leute um sich, und die wurden von Gormán erschlagen. Einen von Uamans Kriegern haben wir freigelassen, er ergab sich und konnte kein Unheil weiter anrichten. Ich hab dann gesehen, wie die Leute aus der Umgebung sich zusammenrotteten und die Festung in Brand steckten. Äbtissin Faife ist genau gegenüber dieser Ruine zu Tode gekommen. Was läßt sich allein daraus schlußfolgern? Gewiß hatte Uaman Anhänger, aber nicht viele. Von denen konnte keiner darauf aus sein, einen Aufstand anzuzetteln, um Cashel zu zerstören.«
»Ich denke, Bruder Eadulf und ich sind in dem Punkt einer Meinung«, pflichtete ihm Conrí bei. »Weitere Verschwörungen der Uí Fidgente sind unwahrscheinlich. Unseren Konflikt mit Cashel werden wir im Rahmen der Gesetze austragen, aber nicht mit Waffengewalt. Unser Stammesfürst hat euch darauf sein Ehrenwort gegeben.«
»Wenn du und ich darin übereinstimmen, Conrí«, erwiderte sie, »und wenn dein Anführer Donennach und Colgú, mein Bruder, ein Abkommen geschlossen haben, bedeutet das noch lange nicht, daß auch andere damit einverstanden sind. Den Frieden erhält man, indem man wachsam bleibt. Du kennst doch den Aphorismus des Vegetius –
si vis pacem para bellum
?«
»Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg«, murmelte |196| Eadulf. »Freilich kann es mitunter auch fälschlich ausgelegt werden, wenn ein Königreich sich mächtig macht und dann seine Friedensbedingungen den Nachbarn aufzwingt. Die Pax Romana zum Beispiel bestand ja darin, daß der Frieden jeweils von der Streitmacht der Römer bestimmt wurde.«
Fidelma wurde ungeduldig. »Wie dem auch sei. Jetzt bleibt uns wohl kaum Zeit, sich mit Philosophie oder Wortbedeutungen zu befassen. Ich will lediglich sagen, man soll sich nicht gegen Handlungsmöglichkeiten sperren, nur weil man an das Gute in anderen Menschen glauben möchte. Wir müssen auf der Hut sein.«
»Schön und gut. Doch hilft uns das weiter? Bedenke, die, von der wir reden, war immerhin meine Tante. Äbtissin Faife gehörte zum Adelsgeschlecht im Stamm der Uí Fidgente, das sich gegen den Fortgang des Konflikts mit Cashel gewendet hat.«
»Das ist mir durchaus gegenwärtig, Conrí.«
Der Krieger kniff die Augen zusammen; ihm mißfiel, daß sie ihn so brüsk abfertigte.
»Ich habe mit dem Abt noch andere Dinge zu besprechen und treffe euch bei der Abendmahlzeit wieder«, sagte er knapp und ging hinaus.
»Ich glaube, der ist sauer«, stellte Eadulf fest, kaum daß sich die Tür
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