Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
Vom Netzwerk:
interessiert.
     »Das ist also nicht der Kontostand. Nur die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben.«
    »Ja.«
    »Wo sehe ich den Kontostand?«
    »Der ist hier nicht aufgeführt. Dazu brauchen Sie die Kontoauszüge.« Sie stand auf, holte noch mehr Ordner aus dem Schrank.
    »Hatten Sie eine Buchhalter-Ausbildung?«
    »Nein«, sagte Wilna van As. »Ich musste es erst lernen. Jan hat es mir gezeigt. Und der Rechnungsprüfer. Es ist nicht schwierig,
     wenn man es mal kapiert hat.« Sie blätterte, suchte. »Hier, der Kontoauszug für August 1983.«
    Er folgte dem Stift, mit dem sie auf eine Summe deutete. 13 877,65 Rand. »Er hatte Geld auf der Bank, das Geschäft aber machte
     Miese?«
    Sie blätterte in den Kontoauszügen. »Hier. Der Eröffnungsbetrag im Bankauszug lautet auf 15 000 Rand. Die Zahlen mit dem Minuszeichen
     davor sind die Beträge, die er ausgezahlt hat. Wenn Sie die mit den Beträgen im Rechnungsbuch vergleichen, sehen Sie, dass
     sie mit den Passiva übereinstimmen. Und die anderen Zahlen sind die Einnahmen, die in der Bilanz als Aktiva verbucht sind.
     Die Differenz zwischen den beiden beträgt genau 1122,35 Rand. Ziehen Sie diese Summe von 15 000 Rand ab, und Sie erhalten
     13 877,65 Rand.«
    »Aaaah …«
    Er zog das Rechnungsbuch zu sich, blätterte zum September 1983. Die Bilanz wies minus 817,44 Rand aus; im Oktober |100| minus 674,87 Rand; im November minus 404,65 Rand; im Dezember 312,05 Rand.
    »Im Dezember 1983 hat er zum ersten Mal Gewinn erzielt.«
    »Dezember ist immer ein guter Monat.«
    Er nahm das Rechnungsbuch und die Bankauszüge für das Folgejahr zur Hand und ging sie mit seinem neu erworbenen Wissen durch.
     Er machte sich Notizen. Der Teufel steckte im Detail. Sein Credo, das immer wieder Nagels Zorn erregt hatte. Wilna van As
     saß ihm gegenüber, die Hände auf dem Tisch gefaltet, schwieg. Kurz dachte er daran, was der Frau durch den Kopf gehen mochte.
     Später bot sie ihm Tee an, den er dankbar annahm. Sie stand auf. Er blätterte weiter. Ein Geschäft, das langsam wuchs: die
     Preise für die Schränke und Tische, Stühle und Sessel, Himmelbetten und Kopfbretter stiegen stetig, das mikroökonomische Bild
     einer Epoche. 1991 wurde das Rechnungsbuch-System auf Computerausdrucke umgestellt. Er musste mit Wilna van As’ Hilfe alles
     von neuem zu entziffern lernen.
    »Die Gebäude. Es gibt keine Dokumente über ihren Erwerb?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Könnten Sie das herausfinden?«
    »Ich werde bei der Bank nachfragen.«
    »Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
    »Was sagt Ihnen das alles?«, fragte sie und deutete auf die Zahlen, die vor ihm ausgebreitet lagen.
    »Das weiß ich noch nicht. Es gibt da etwas. Vielleicht auch nicht. Aber ich will erst sichergehen.«
    »Es gibt etwas?« Wieder die Angst in ihrer Stimme, in ihrem Blick.
    |101| »Ich will erst sichergehen. Kann ich den Personalausweis mitnehmen?«
    »Ja«, antwortete sie, wenngleich zögernd.
     
    Auf dem Weg zur Mitchell’s Plain befand er sich in den ersten, noch zaghaften Ausläufern der seltsamen Euphorie, die sich
     einstellte, wenn er im Begriff war, einen Durchbruch zu erzielen — wobei das Ziel noch hinter Dunst und Wolken verborgen lag.
     Daten waren in seinem Kopf, in seinem Notizbuch gespeichert, die Zahlenreihen in seinem Ermittlungsbuch aber bildeten noch
     keine ausgeglichene Bilanz: eine Theorie, irgendwo inmitten der Ziffernfolgen und der Jahreszahlen und den von Wilna van As
     gelieferten Informationen lag die Wahrheit verborgen. Sein Herz schlug höher, in seinem Kopf schwirrte dies und das, er fühlte
     sich so leicht wie Luft. Scheiße, Scheiße, Scheiße, es war wie in den alten Zeiten, was passierte hier mit ihm? War es so
     einfach? Entlassung, Befreiung, Freiheit, auf den alten Pfaden, ausgestattet mit dem Kompass seines Wissens über Verfahrensabläufe,
     Anweisungen und seiner Instinkte und Nagels bohrender Stimme im Hinterkopf?
    Wahrscheinlich nicht …
    Denk darüber nicht nach. Wie ein Bergsteiger, blick nicht nach unten.
    Wollte er überhaupt nach oben? Wollte er heraus aus dem sicheren, stinkenden Dreck seines Lebens?
    Orlando Arendses Haus hatte hier vor fünf, sechs Jahren gestanden. Die Dinge veränderten sich.
    Ein Schutzwall, darauf Stacheldraht: Fort Mitchell’s Plain. Er hielt am Tor an und stieg aus. Hinter dem Tor kam ein |102| Mann auf ihn zu, an seinem Gürtel hing im Halfter eine riesige Pistole.
    »Was?«
    »Ich möchte zu Orlando.«
    »Wer bist

Weitere Kostenlose Bücher