Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
nachlässig, zu viel Arbeit, zu viel Geld, zu viel Gras, zu viele
Frauen. Wollte ein Vermögen machen, stellte Zwanzig-Rand-Scheine im Wert von sechs Millionen ohne Wasserzeichen her und versenkte
den Drucker im Liesbeek River mit einem Loch im Kopf, um sich auch noch dessen Anteil unter den Nagel zu reißen. Deshalb bekamen
sie ihn wegen des Geldes und wegen Mordes dran.«
Die Leibwächter begannen wieder, die Papiere hin und her zu schieben.
»Und das ist seine Arbeit?«
»Sieht so aus. Er war der König der blauen Personalausweise. Die blauen waren leichter zu fälschen. Die Siebziger und frühen
Achtziger waren gute Jahre …«
»Noch eine Frage, Orlando.«
»Ich höre.«
»Wir haben 1983. Ich habe Dollar. Amerikanische. Viele Dollar. Ich möchte ein Haus kaufen und ganz legal ein Geschäft aufziehen.
Ich brauche Rand. Was mache ich?«
»Für wen arbeitest du, van Heerden?«
»Eine Anwaltskanzlei.«
|106| »Kemp?«
Er schüttelte den Kopf.
»Du bist jetzt also ein Privatdetektiv für einen Anwalt?«
»Freiberuflich, Orlando.«
»Das ist doch schlimmer als Schweinescheiße, van Heerden. Warum gehst du nicht zur Polizei zurück? Wir brauchen eine starke
Opposition.«
Er ignorierte ihn. »Dollar im Jahr 1983.«
»Das ist lange her.«
»Ich weiß.«
»Ich war ’83 ein kleiner Ganove. Für einen Dollar bekamst du dreißig oder fünfzig Cent. Aber wenn du Namen haben willst, da
kann ich dir nicht helfen.«
Van Heerden stand auf. »Danke dir, Orlando.«
»Sind da noch immer Dollar mit im Spiel?«
»Das weiß ich nicht.«
»Na ja, vielleicht.«
»Vielleicht.«
»Dollar sind jetzt viel wert.«
Er nickte.
»Du schuldest mir was, van Heerden.«
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Baby Marnewick.
Jedes Mal, wenn ich von einem neuen Film höre, in dem furchtlose amerikanische Helden uns alle vor einem Virus, einem Meteoriten
oder feindseligen Aliens retten, die die Menschheit bedrohen, wundere ich mich, warum alle so entschieden die sehr viel interessanteren,
kleinen, aber lebensverändernden Machenschaften ignorieren, die sich in den Vorstädten abspielen.
Die Liebesaffäre mit Marna Espag überstand unseren ersten tollpatschigen und unvollendeten sexuellen Versuch nicht. Es gab
kein plötzliches, dramatisches Ende, unsere Beziehung kühlte sich nur allmählich ab. Dazu trug meine Enttäuschung über meine
Leistung bei und ihre Scham, weil es ihr nicht möglich gewesen war, ihren Frust zu verbergen.
Mit sechzehn, siebzehn allerdings heilen Körper und Seelen verblüffend schnell, und wir blieben befreundet, auch als sie im
Juli unserer Abschlussklasse eine Beziehung zum Klassensprecher Lourens Campher einging. Seitdem fragte ich mich immer wieder,
ob sie und Lourens es erfolgreich bewerkstelligt hatten und er sich die Trophäe ihrer Jungfräulichkeit sichern und ihr Vertrauen
in die Männer wiederherstellen konnte.
Ich dagegen ging während der Schulzeit keine feste Beziehung mehr ein, nur hin und wieder etwas verschärftes |108| Petting. Dies lag daran, dass Baby Marnewick den Pfad meiner sexuellen — und später auch beruflichen — Ausbildung kreuzte.
Sie und ihr Ehemann wohnten im Haus hinter dem unseren. Er war ein großer, starker Bergmann, wie neunzig Prozent der männlichen
Einwohner von Stilfontein ein Schichtarbeiter, ein Rohdiamant, der seine Samstage und Sonntage mit dem Einbau einer Drei-Liter-V6-Maschine
in einen Ford Anglia verbrachte. Er musste dazu das gesamte Armaturenbrett und das Getriebe nach hinten versetzen und die
Antriebs- und Kardanwelle verlängern, was den ursprünglichen Beweggrund für sein Vorhaben — andere Anglia-Fahrer an Ampeln
unangenehm zu überraschen — sinnlos machte. Denn ein Blick durch die Scheibe genügte, und jeder Idiot hätte sofort erkannt,
dass Boet Marnewicks Wagen keine Normalausführung war.
Nach der Legende, die man sich in der Vorstadt erzählte, hatte er Baby mit seinen Fäusten gewonnen, damals in Bez Valley,
diesem brodelnden Vorort von Johannesburg, als er sie einem stämmigen Schotten weggenommen hatte. Sie soll auf der Veranda
ihres Hauses gestanden und den beiden Männern zugesehen haben, die, blutend und schnaubend wie zwei Stiere, ihre genetische
Überlegenheit unter Beweis stellten, um sie zu gewinnen.
Weil Baby Marnewick eine gut aussehende Frau war. Groß und schlank mit dichtem, rotem Haar und einem vollen, breiten Mund
— und beachtlichen Brüsten. Es waren ihre kleinen, schmalen Augen, die ihr einen
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