Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
vierzig, Anfang fünfzig. Der Schwarze etwas größer.
»Das ist van Heerden«, sagte Hope.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Wir sind hier, um Ihnen auszurichten, dass die Ermittlungen eingestellt werden.«
»Wer sind Sie?«
»Boten.«
»Von wem?«
»Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragte Hope. Die Falten auf ihrer Stirn waren tiefer geworden.
»Nein.«
Van Heerden erhob sich. Der Schwarze überragte ihn ein wenig. »Diese Ermittlungen werden nicht eingestellt«, sagte er. Sein
Zorn wuchs.
|278| »Doch«, antwortete der Schwarze. »Aus Gründen der nationalen Sicherheit.«
»Schwachsinn«, sagte van Heerden.
»Ganz ruhig«, sagte der Weiße. »Wir sind in friedlicher Absicht hier.« In seiner Stimme lag Ruhe, Autorität.
Das Telefon klingelte. Alle starrten zum Apparat.
»Können Sie sich ausweisen?«, fragte Hope.
»Sie meinen, diese kleinen Plastikkarten?«, erwiderte der Schwarze mit einem dünnen Lächeln.
Das Telefon klingelte.
»Ja«, sagte Hope.
»Das brauchen nur Leute im Film, Miss«, sagte der Weiße.
»Sie haben fünf Minuten Zeit, um diesen Raum zu verlassen …«, sagte van Heerden.
»Bevor Sie was tun, Junge?«
»Bevor ich die Polizei bitte, Sie wegen Hausfriedensbruch festzunehmen.«
Das Telefon klingelte.
»Wir wollen keinen Ärger.«
»Bringen Sie eine richterliche Verfügung.«
»Wir wollten Sie zuerst höflich bitten.«
»Das haben Sie getan, und jetzt raus.«
»Er hat Recht«, pflichtete Hope unsicher bei.
»Sie ersparen sich eine Menge Ärger, wenn Sie mit uns kooperieren würden«, sagte der Schwarze.
Erneut klingelte das Telefon. Van Heerden sah auf seine Uhr. »Vier Minuten und dreißig Sekunden. Und versuchen Sie nicht,
mir zu drohen.«
Der Weiße seufzte. »Sie wissen nicht, worauf Sie sich hier einlassen.«
|279| Der Schwarze seufzte. »Das übersteigt Ihren Horizont.«
»Sie sollten jetzt gehen.« Hope, nun entschiedener.
Van Heerden nahm den Hörer ab. »Hallo.«
Schweigen.
»Hallo.«
Etwas am anderen Ende der Leitung. Ein Geräusch.
Er blickte auf. Der Schwarze und der Weiße standen noch immer da. Er klopfte mit dem Zeigefinger auf seine Uhr und zeigte
dann zur Tür.
»Hallo«, wiederholte er.
»Es …«, kam es von einer Frauenstimme, und nun wusste er, welche Geräusche er gehört hatte. Ein Schluchzen. Eine weinende
Frau.
»Es …«
Langsam setzte sich van Heerden. »Ich höre«, sagte er ruhig. Sein Herz pochte.
»Es war …« Schluchzen. »Es war … mein Sohn.«
Die Tür ging auf. Marie, die Rezeptionistin, erschien. »Hope, da sind Polizisten. An der Rezeption.«
»So schnell«, sagte der Weiße zum Schwarzen. »Unsere fünf Minuten sind doch noch gar nicht rum.«
»Ich höre zu«, sprach van Heerden beruhigend in den Hörer.
»Der Mann auf dem Foto …«, kam es schwach und sehr fern von der weiblichen Stimme.
»Die Effizienz der südafrikanischen Polizei. Da fühlt man sich doch gleich so viel sicherer«, sagte der Schwarze.
»Sie müssen jetzt gehen«, sagte Hope mit fester Stimme.
Marie: »Die Polizisten, Hope …«
Sein Zorn schwoll an, schien ihn zu überwältigen; er stand |280| auf und legte die Hand über die Sprechmuschel. »Verpisst euch, alle miteinander, sofort!«
Marie riss schockiert die Augen auf, der Schwarze und der Weiße lächelten unbeeindruckt.
»Bitte«, sagte Hope und zupfte am Jackett des Schwarzen. Widerwillig gingen sie hinaus, Hope vorneweg, wie eine Lokomotive,
die schwerfällige Waggons hinter sich her zog. Schließlich fiel die Tür ins Schloss.
»Verzeihen Sie«, sprach er in den Hörer und bemühte sich, ruhig zu klingen. »Ich musste hier nur für Ruhe sorgen.«
Schluchzen am anderen Ende.
»Ich … ich will nur wissen, was vor sich geht.«
»Das verstehe ich, Madam.«
»Sind Sie der Detective?«
»Ja, Madam.«
»Van Heerden?«
»Ja, Madam.«
»Man hat mir gesagt, er sei tot.«
»Er ist …« Er suchte nach Worten, er wollte es schonend zum Ausdruck bringen. »… verstorben, Madam.«
»Nein«, sagte sie. »’76. Sie sagten mir, er sei schon’76 gestorben.«
»Wer sind ›sie‹?«
»Die Regierung, die Armee. Sie sagten, er sei in Angola gefallen. Man hat mir einen Orden gebracht.«
»Verzeihen Sie, Madam, wenn ich nachfrage, aber sind Sie sich sicher, dass derjenige auf dem Foto wirklich Ihr Sohn ist?«
Er lauschte den elektronischen Geräuschen, dem Knistern und Sirren, fragte sich, wo sie lebte, woher sie anrief. Ein |281| weiteres, hohes, unendlich trauriges
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