Todes Kuss
über mein Gesicht.
„Gibt es eine Aufstellung der Kunstobjekte, die Philip im Jahr vor seinem Tod gekauft hat? Ich denke da vor allem an Anschaffungen während der Hochzeitsreise.“
Ich runzelte die Stirn. „Philip war ein sehr ordentlicher Mensch. Doch bisher habe ich keine derartige Liste zu Gesicht bekommen.“ Ein oder zwei Rechnungen waren mir in die Hände gefallen, als ich seinen Schreibtisch durchsucht hatte. „Warum fragen Sie?“
„Ach, es interessiert mich einfach. Hat er Ihnen die Stücke gezeigt, die er erworben hat?“
„Nein. Bis vor kurzem hatte ich nicht einmal eine Ahnung davon, dass er überhaupt antike griechische Kunstwerke sammelte. Einiges hat er ja offensichtlich dem Museum gespendet. Diese Objekte habe ich mir schon einige Male angesehen. Von anderen weiß ich nichts. In unserem Haus am Berkeley Square befindet sich nur die Kopie von Praxiteles’ Büste des Apollo.“
„Vermutlich hat er seine Sammlung in Ashton Hall untergebracht.“
„Dort bin ich nie gewesen.“
„Philip hat Sie nie auf seinen Landsitz mitgenommen? Finden Sie das nicht merkwürdig?“
„Ich habe bisher nicht darüber nachgedacht.“ Insgeheim fragte ich mich, worauf Colin hinauswollte. Ich warf ihm einen forschenden Blick zu. Doch seine Miene verriet nichts. „Nach der Eheschließung sind wir erst einmal auf Hochzeitsreise gegangen. Anschließend haben wir uns kurze Zeit in London aufgehalten. Und dann ist Philip ja auch schon nach Afrika aufgebrochen.“
„Hat er Ihnen denn nahegelegt, während seiner Abwesenheit nach Ashton Hall überzusiedeln?“
„Nein, im Gegenteil. Er meinte, das Haus befände sich nicht im besten Zustand und ich solle besser in London bleiben. Auf dem Lande hätte ich ja auch niemanden gekannt. Die meisten meiner Freundinnen leben in der Stadt.“
„Hat Philip während der Hochzeitsreise viel Zeit mit der Suche nach Kunstgegenständen verbracht?“
Ich runzelte die Stirn, weil ich keinen rechten Sinn in Colins Fragen sah.
„Vielleicht hat er Sie mit der Begründung, sich um Geschäftliches kümmern zu müssen, häufig allein gelassen?“
„Nun ja, das ist gelegentlich vorgekommen. Es erschien mir aber ganz natürlich.“
„Sicher. Trotzdem würde es mir helfen, wenn Sie sich an Einzelheiten erinnern könnten.“
„Wobei würde es Ihnen helfen? Hat Philip irgendein besonders wertvolles griechisches Objekt entdeckt, für das Sie sich interessieren?“
„Es geht mir eher darum, herauszufinden, ob irgendwelche Geschäfte unerledigt geblieben sind. Ich würde es als meine Pflicht ansehen, mich darum zu kümmern.“
Langsam verlor ich die Geduld. „Ist es dafür nicht reichlich spät? Bestimmt hat Philips Verwalter längst alles geregelt.“ Ich runzelte die Stirn. „Lord Palmer hat mich übrigens kürzlich nach einem Aufsatz gefragt, an dem Philip vor seinem Tod gearbeitet haben soll. Er möchte ihn herausgeben, um so die Erinnerung an Philip wachzuhalten.“
„Philip hat einen Aufsatz verfasst? Zu welchem Thema?“
„Angeblich handelt er von Alexander dem Großen und Achill.“
„Hm …“
Wir hatten inzwischen die Tottenham Court Road erreicht. Nun war es nicht mehr weit bis zum Haupteingang des Museums in der Bloomsbury Street. Dort verabschiedete Colin sich von mir mit den Worten: „Verzeihen Sie, wenn ich Sie mit meinen Fragen verwirrt habe. Ich wollte Ihnen nur, so weit das möglich ist, behilflich sein.“
Ich schaute ihm nach, wie er auf die andere Straßenseite wechselte und dort eine Mietdroschke anhielt. Was mochte ihn bewogen haben, sich plötzlich so eindringlich nach Philips Geschäften zu erkundigen? Ob er derjenige war, der die Warnungen geschrieben hatte?
Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich zu meiner Verabredung mit Lord Palmer zu spät kommen würde. Wir hatten beschlossen, nicht nur die Apollo-Büste zu begutachten, sondern uns auch einige andere Ausstellungsstücke in der griechischen und römischen Abteilung anzuschauen. Lord Palmer, der viel über einzelne Statuen und Vasen wusste, hatte sich erboten, eine Art Führung für mich zu veranstalten.
Ich begab mich also in aller Eile zu den Räumen, die die antiken Kunstwerke beherbergten. Schon von Weitem bemerkte ich eine kleine Gruppe, zu der unter anderem meine Mutter gehörte. Verflixt! Offenbar hatte Lord Palmer außerdem seinen Sohn Arthur und Arabella Dunleigh sowie deren Mutter mitgebracht. Unter diesen Umständen – das war mir sofort klar – würde die Führung ganz
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