Todes Kuss
vor, er befürchtete tatsächlich, Philip würde ihn als Verbündeten dieses Kunstfälscherrings anzeigen. Hätte er dann nicht angenommen, all seine Probleme wären gelöst, wenn er den kranken Philip einfach zurückließ?“
„So etwas“, stellte Ivy mit fester Stimme fest, „würde Colin niemals tun.“
„Vielleicht wollte er auch einfach nur sein eigenes Leben nicht riskieren, wenn nach menschlichem Ermessen keine Chance bestand, Philip zu retten.“
„Welch schreckliche Vorstellung!“
„Erinnerst du dich an die beiden schriftlichen Warnungen, die ich in der Bibliothek gefunden habe? Jemand könnte versucht haben, Philip mitzuteilen, dass ihm Gefahr vonseiten seines angeblichen Freundes Colin drohe.“
Ivy schüttelte den Kopf. „Du willst doch nicht behaupten … Nein, ich traue Colin nichts wirklich Böses zu. Ein Mörder ist er auf keinen Fall!“
„Er hätte ja gar nicht zum Mörder werden müssen. Nachdem Philip krank geworden war, brauchte man nur der Natur ihren Lauf lassen. Wer unter Fieber leidet, hat ohne Chinin und andere Medikamente in der Wildnis kaum Überlebenschancen. Ach, mein armer Philip! Es ist ein Wunder, dass er es überstanden hat. Sobald er sich kräftig genug fühlte, hat er einen Brief an seine wahren Freunde geschrieben.“
Erst als Ivy mir einen besorgten Blick zuwarf, wurde mir klar, dass ich inzwischen keinerlei Zweifel mehr daran hegte, dass mein Mann lebte.
„Wir dürfen bestimmte Dinge nicht vergessen“, begann Ivy vorsichtig. „Wer zum Beispiel lag in dem Sarg, der von Ägypten nach London geschickt wurde? Wer wurde in Philips Grab beigesetzt?“
„Vielleicht niemand. Wir könnten einen Sarg in die Erde gelassen haben haben, der nur Steine enthielt.“
„Oder den Kadaver eines großen Tiers!“, rief Ivy. „Die Männer waren doch auf der Jagd.“
Inzwischen war ich wieder einigermaßen zur Vernunft gekommen. „Wenn wir die Wahrheit herausfinden wollen, müssen wir mit Colin sprechen.“
„In dem Brief heißt es ausdrücklich, Hargreaves solle nicht informiert werden.“
„Stimmt. Trotzdem halte ich es für richtig, Colin mit dem Schreiben zu konfrontieren.“
Ich läutete nach Davis und beauftragte ihn, einen der Burschen zu Hargreaves zu schicken. Tatsächlich traf Colin erstaunlich rasch bei mir ein. Doch seine Reaktion auf den Brief entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen. Er wurde nicht blass vor Schreck. Er sah weder ängstlich noch schuldbewusst drein. Sanft nahm er meine Hände in die seinen, schaute mir fest in die Augen und sagte: „Ich wünschte, Philip wäre noch am Leben. Nie hatte ich einen besseren Freund als ihn. Es war sehr schmerzlich, ihn zu verlieren.“
„Arthur Palmer hat behauptet, außer Ihnen sei niemand bei Philip geblieben. Sie sollen gesagt haben, die Gefahr der Ansteckung sei sehr groß, deshalb müssten die anderen sich in Sicherheit bringen.“
Er nickte.
„Hatten Sie denn gar keine Angst, ebenfalls krank zu werden?“ Ich entzog ihm meine Finger. „Sie hätten ihn in der Obhut von Eingeborenen zurücklassen können, um sich nicht anzustecken.“
„So etwas wäre mir nie in den Sinn gekommen.“
„Sie müssen Philip aufgegeben haben, als er noch lebte! Sonst hätte er ja jetzt nicht an Arthur schreiben können.“
„Emily, verschließen Sie die Augen nicht vor der Wahrheit! Philip ist tot, so leid mir das auch tut.“
„Ich glaube Ihnen nicht.“
„Bitte, hören Sie mir zu!“ Er seufzte. „Diese Großwildjagd stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Seit wir London verlassen hatten, machte Ashton einen ungewöhnlich erschöpften Eindruck. Wir schoben das – Sie werden mir meine offenen Worte verzeihen – darauf, dass er erst seit kurzem verheiratet war.“
Ivy stieß einen erstickten Laut aus, und Colin warf ihr einen besorgten Blick zu.
„Lassen Sie sich durch meine Freundin nicht ablenken, Mr Hargreaves“, sagte ich.
„Während der letzten Tage kam zu dieser ständigen Müdigkeit eine Reizbarkeit hinzu, die ganz untypisch für Philip war. Nach seinem Tod wurde mir klar, dass dies wohl die ersten Anzeichen der Krankheit gewesen waren. Doch zunächst schöpfte ich keinen Verdacht. Ich freute mich für ihn, als er endlich seinen Elefanten schoss. Leider vermochte er seinen Erfolg schon nicht mehr richtig zu genießen. Es ging ihm schlecht. Zwar stieß er mit uns an – Andrew Palmer hatte ein paar Flachen Champagner mit auf die Expedition genommen –, aber sobald er sein Glas
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