Todesacker
Brummie aus der benachbarten Stadt Birmingham sei. Aber nur Einheimische aus dem Black Country sprachen Caldmore wie »Karma« aus. Seine Herkunft hatte den Mörder verraten.
Fry hatte die Hand einmal mit eigenen Augen im Walsall-Museum über der Zentralbibliothek in der Lichfield Street gesehen. Sie war nur ein Exponat von vielen und zwischen Knebeleisen und Gasmasken aus dem Zweiten Weltkrieg, einer Sammlung von historischen Eisenschlössern sowie einigen Gaucho-Sporen und -Steigbügeln ausgestellt gewesen. Fry hatte gehört, dass das Museum sie irgendwann aus der öffentlichen Ausstellung entfernt hatte, weil sie Kinder zu sehr verängstigt hatte, doch man konnte sie noch immer besichtigen, wenn man danach fragte. Sie war zu einer Art Unterdem-Ladentisch-Hand-des-Ruhms geworden.
»Das ist eines der beliebtesten Ausstellungsstücke des Edendale-Museums«, sagte der Wärter. »Na ja, zumindest eines der am meisten beachteten. Sie sagt nicht jedem zu.«
»Sie ist ein bisschen kontrovers, oder?«
»Sagen wir mal, die Reaktionen variieren beträchtlich.Viele Leute wollen nicht glauben, dass es sich tatsächlich um eine echte Hand handelt. Auch wenn wir ihnen den Hintergrund erklären, glauben sie uns nicht. Sie gehen mit der Meinung nach Hause, dass es sich um eine Attrappe aus Plastik handelt, was nicht stimmt.«
Selbstverständlich gab es im White Heart in Caldmore Green auch ein oder zwei Gespenster. Angeblich hatte im Dachgeschoss, wo die »Hand« gefunden wurde, ein Dienstmädchen Selbstmord begangen. Ein ehemaliger Wirt hatte gemeldet, er habe im Dachgeschoss jemanden schluchzen hören, doch bei der Untersuchung war nichts anderes gefunden worden als der mysteriöse Handabdruck eines Kindes im Staub.
Ob die Hand des Ruhms aus dem White Heart dem Dienstmädchen gehört hatte, war jedoch zweifelhaft. Fry hatte sie gesehen, als sie ihre Polizeiausbildung begonnen und bereits in Perry Barr an der Universität von Birmingham studiert hatte. Auch wenn sie damals noch nicht einige medizinische Grundkenntnisse gehabt hätte, wäre ihr klar gewesen, dass es sich bei dem Exponat im Museum tatsächlich um den abgetrennten Arm eines Kindes handelte, der am Schulterblatt abgerissen und anschließend in Formalin eingelegt worden war.
Ungeachtet der Geschichte, die zu der Hand des Ruhms aus dem Walsall-Museum gehörte, war Fry sich ziemlich sicher, dass es sich bei ihr eher um ein medizinisches Anschauungsstück aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts handelte. Wenn die Hand über magische Kräfte bei der Unterstützung von Einbrüchen verfügen sollte, dann hatten sich irgendwelche Ganoven von ihrem Hand-des-Ruhms-Lieferanten gründlich über den Tisch ziehen lassen. Weshalb ein medizinisches Anschauungsstück im Kamin eines Pubs versteckt worden war, sagte niemand. Alle bevorzugten natürlich die Geschichten von Gespenstern und Magie.
» Bei den Geheimnissen der Tiefe, bei den Flammen von Baal, bei der Macht des Ostens und der Stille der Nacht, bei den heiligen Riten von Hekate beschwöre ich dich und treibe dir die Dämonen aus. «
»Wie bitte?«
Der Museumswärter deutete auf eine bedruckte Karte in der Vitrine. »Das ist der Bannspruch, den man zusammen mit der Hand des Ruhms verwenden soll. Wenn man alles richtig macht, beschützt sie einen nicht nur, sondern spendet einem Licht, das sonst niemand sehen kann. Selbstverständlich wurde sie überwiegend für Freveltaten benutzt. Das ist bei allen nützlichen Dingen so, finden Sie nicht?«
Das Phänomen der allgemeinen Leichtgläubigkeit bei diesem Thema verwunderte Fry. Wenn etwas wirklich mysteriös und unerklärlich war, konnte man verstehen, dass die Leute ihrer Phantasie freien Lauf ließen und ihre eigene Interpretation parat hatten. Doch wie konnte man die wissenschaftlichen Fakten ignorieren, wenn diese offensichtlich waren, und stattdessen an etwas glauben, das jeder Vernunft entbehrte? Manche glaubten, dass die Erde flach sei oder den Mond umkreise, nur weil sie es glauben wollten. Andere vertrauten in die magischen Kräfte einer eingelegten Hand oder eines abgetrennten Kopfes.
Man konnte diesen Leuten nur viel Glück wünschen.Wenn Fry sie jedoch dabei erwischte, wie sie ihre verrückten Ideen in die Tat umsetzten, war sie verpflichtet, sie hinter Schloss und Riegel zu bringen. Ob es sich dabei um ein Gefängnis oder um den Hochsicherheitstrakt einer psychiatrischen Klinik handelte, war ihr eigentlich egal, solange ihr Kollegen wie Ben Cooper nicht
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